Basel und die Videoüberwachungen

Von Daniel Ballmer, Sonntag, 9.5.10 Quelle: Reitschule.ch

Neue Studie beunruhigt Basler Behörden gar nicht
Studien zeigen: Gewalt wird trotz Videoüberwachung verübt. Die Basler Verwaltung zweifelt dennoch nicht am geplanten Grossprojekt in der Innenstadt

Immer mehr Stadtzentren, Banken, Bahnhöfe, Parkhäuser und öffentliche Verkehrsmittel werden videoüberwacht. Laut aktuellen Studien ist der Nutzen aber beschränkt.

Sie haben mit unfassbarer Brutalität zugeschlagen. Ihr Opfer ist für immer gezeichnet. Der Übergriff von Zürcher Schülern auf einen Geschäftsmann in München hat die Öffentlichkeit erschüttert. Bei ihrer Tat sind die Jugendlichen von Überwachungskameras gefilmt worden. Davon abgehalten hat sie das nicht. Offensichtlich keine Ausnahme: Laut internationalen Studien lassen sich Körperverletzungen und Raub - Delikte, welche die Bevölkerung besonders beunruhigen - mit Kameras nicht verhindern.

Littering, Vandalismus oder Diebstahl dagegen liessen sich durch Überwachungskameras tatsächlich einschränken. Dies führte der Studienverantwortliche Manfred Bornewasser kürzlich in Zürich aus. Die Prävention funktioniere aber nur, wenn die Kameras intensiv betreut werden, und die Polizei bei jedem einzelnen Vorkommnis sofort ausrückt. Eine Kamera könne aber nur Delikte von Tätern verhindern, die rational ansprechbar sind. Täter also, die begreifen, dass sich ein Diebstahl nicht lohnt, wenn man gefilmt wird. Affektive Taten dagegen werden trotz Überwachung verübt.

"Die Studien sind uns bekannt", zeigt sich Klaus Mannhart vom Basler Sicherheitsdepartement gelassen. "Es lassen sich wie bei jedem Thema allerdings auch Studien finden, die das Gegenteil aussagen." Im vergangenen Sommer war bekannt geworden, dass die Basler Regierung plant, in der Innerstadt bis zu 70 Überwachungskameras zu installieren (die bz berichtete). Allerdings hatte Justiz- und Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass von Beginn weg betont, dass es nicht Ziel sei, "die Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr zu überwachen".

Die Kameras vom Bahnhof SBB bis zum Messeplatz sollen nur bei Grossanlässen angeschaltet werden dürfen. Oder aber wenn es an einem Ort Seriendelikte gibt, zum Beispiel Schlägereien oder Einbruchsserien. Gass: "Die totale Überwachung, das wollen wir nicht." Die Kameras könnten ansonsten nur im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens auf Anordnung der Staatsanwaltschaft in Betrieb genommen werden. Über die Einschaltungen werde dann ein lückenloses Protokoll geführt, das jederzeit vom Datenschutz einzusehen sein wird.

Die Regierung hat die nötigen Gelder von 680000 Franken gesprochen. Auch der Grosse Rat hat die Investition abgesegnet. Derzeit werde ein detaillierter Bericht an das Kantonsparlament erarbeitet, der möglichst noch vor den Sommerferien im Rat behandelt werden soll. Auf technischer und datenschützerischer Ebene laufe nun das "Feintuning", sagt Mannhart. "Die Umsetzung soll noch im laufenden Jahr erfolgen."

Kritische Stimmen waren aber auch in Basel zu hören: So ist SP-Grossrätin Tanja Soland zwar nicht grundsätzlich gegen Videoüberwachung. Die Juristin warnt aber vor zu hohen Erwartungen und verweist auf Erfahrungen aus Olten, wo die Überwachung eines Drogenstrichs nur zur Verlagerung des Problems geführt habe. Auch in London, das eine flächendeckende Videoüberwachung einführte, wurde keine Reduzierung von Verbrechen verzeichnet. "Die Kameras verlieren mit der Zeit ihre präventive Wirkung."

Davon ist auch Studienverantwortlicher Bornewasser überzeugt. Doch auch wenn sich Gewalttäter durch die präventive Massnahme nicht aufhalten lassen - einen repressiven Nutzen haben die Aufzeichnungen dennoch. So konnten im Fall München die Schläger auch dank der Aufnahmen überführt werden. Dies ist laut Strafrechtsprofessor Christian Schwarzenegger einer der Gründe dafür, weshalb die Videoüberwachung vom überwiegenden Teil der Bevölkerung akzeptiert wird. "Man will, dass die Täter geschnappt werden", so Schwarzenegger.

Klaus Mannhart ist denn auch davon überzeugt, dass die 680000 Franken in Basel kein rausgeworfenes Geld sind: "Die Kameras werden primär als Führungsinstrument eingesetzt", betont er wiederholt. "Es war ohnehin nie die Absicht, eine Überwachungsanlage à la ‹Big Brother› zu installieren."


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