Wohnquartier Brünnen ist noch halb leer - oder halb voll

Ivo Gehriger, Der Bund, 08.10.2009

Ein Jahr nach der offiziellen Einweihung des Stadtquartiers Brünnen stehen noch rund 50 Prozent der bereits erstellten Eigentumswohnungen leer. Doch nur Geduld, mahnen die verantwortlichen Firmen.

An keinem Ort in der Stadt Bern wird punkto Wohnungsbau mit grösserer Kelle angerichtet. Keine Siedlung, nein gleich ein ganzes neues Stadtquartier mit 800 bis 900 Wohnungen soll bis in knapp zehn Jahren in Brünnen entstehen. Den Anfang machten die Marti AG und die Baugenossenschaft (BG) Brünnen-Eichholz mit der Wohnüberbauung «Brünnen Leben» sowie die Fambau mit «Come West». Rund 130 Wohnungen wurden im Rahmen dieser zwei Projekte realisiert. Davon sind 40 Miet-, die restlichen Eigentumswohnungen. Seit über einem Jahr sind sie bezugsbereit.

Ersehnte Zugkraft noch nicht da
Doch die «Lokomotive Westside», die nicht nur Kunden, so die Hoffnung der Behörden, sondern auch Neuzuzüger in Berns Westen ziehen sollte, hat bisher nicht die ersehnte Zugkraft entwickelt. Zwar sind fast alle Mietwohnungen vergeben, doch noch zögern viele, mit Brünnen eine längerfristige Bindung einzugehen. In Zahlen ausgedrückt sieht das gemäss den Angaben auf den entsprechenden Vermarktungs-Homepages so aus: 19 der 35 Eigentumswohnungen von «Brünnen Leben» stehen leer. In einigen Häusern sind bloss zwei der sieben Wohnungen belebt. Nur unwesentlich besser sieht die Lage bei «Come West» aus: Dort sind etwas mehr als die Hälfte der gut 50 Eigentumswohnungen verkauft. Diese Zahlen erstaunen insofern, als dass in den meisten anderen neuen Stadtberner Siedlungen die Wohnungen wie warme Weggli an die Käufer gehen. Teilweise ist der Wohnraum schon fast ausverkauft, bevor überhaupt der Bagger aufgefahren ist.

Brünnen wie einst Rom

Trotzdem: Die Verantwortlichen in Brünnen sind mit den Zahlen zufrieden, wie sie auf Anfrage sagen. Die Entwicklung sei «grundsätzlich positiv», sagt Walter Straub, Geschäftsführer der Fambau. Die Vermietung laufe hervorragend, der Verkauf der Wohnungen «leider noch etwas weniger gut», bilanziert Thomas Balmer, Präsident der BG Brünnen-Eichholz.

Der Grund für die bisher durchzogene Nachfrage nach Eigentumswohnungen ist vorab die Baustelle, darin sind sich Straub und Balmer einig. Die Preise seien «mehr als marktgerecht», Berührungsängste mit Bern West seien kaum mehr vorhanden, und der Hypothekarzins sei tief, sagt Straub. Doch in Anbetracht dessen, dass in Brünnen noch einige Jahre gebaut werde, sei ein Zögern nachvollziehbar. «Man muss sich bewusst sein: Brünnen ist eine Siedlung im Aufbau», sagt Balmer. «Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden, und auch in Brünnen dauert es länger.» Anfängliche Schwierigkeiten seien deshalb nicht verwunderlich, findet Balmer. «Denn immerhin sind wir die Pioniere in Brünnen.»

«Keinen Anlass zur Panik»

Es gebe «keinen Anlass zur Panik», sagt Straub. Er rechne noch mit einigen Abschlüssen bis Ende Jahr. Erst nächstes Jahr müsste man gegebenenfalls diskutieren, ob man für leere Eigentumswohnungen auch ein Mietmodell erarbeiten soll. Für die BG Brünnen-Eichholz ist klar: Die Investition in Bern West lohnt sich, wie Alt-FDP-Stadtrat Balmer sagt. «Wir werden noch bei mehreren Bauprojekten in Brünnen mit von der Partie sein.»

Auch andere Investoren sind vom Standort überzeugt: Auf den verbleibenden 18 Wohnbaufeldern wird geplant und teilweise schon gebaut. Die nächsten Wohnungen im neuen Stadtquartier kommen im nächsten Jahr auf den Markt.


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