Altes Postgebäude Schönburg wird zum Diplomatenlogis

Ivo Gehriger, Der Bund, 30.09.2009

In der Schönburg, wo heute Postangestellte am Computer arbeiten, sollen in einigen Jahren Diplomaten und Politiker logieren. Damit soll eine Marktlücke geschlossen werden. Stadtpräsident Tschäppät spricht von einer Win-win-Situation.

Letzte Woche wurde bekannt, dass die Schweizerische Post ihren Hauptsitz definitiv in einem Neubau der Berner Schanzenpost einrichtet. Und bereits gestern wurde öffentlich, was mit dem heutigen Hauptsitz des gelben Riesen passiert, der Schönburg beim Berner Rosengarten. Das Gebäude wird per Dezember vom Immobilienfonds Credit Suisse (CS) Real Estate Fund Living Plus (vgl. Kasten) gekauft.
Der CS-Fonds will das Bürohaus zum «multifunktionalen Hospitality-Gebäude mit hohem Wohnanteil» umbauen, wie er in einem Communiqué schreibt. Für die Übernahme der Liegenschaft berappt der Fonds «einen hohen zweistelligen Millionenbetrag», wie Thomas Vonaesch, Leiter Real Estate Fund Management, auf Anfrage sagt.

Wasch- und Blumengiess-Service
Nebst Politikern und Vertretern des diplomatischen Korps betrachtet der Fonds auch Senioren und andere Gäste, die sich während einer längeren Zeit in der Bundesstadt aufhalten, als Zielgruppen. Vonaesch spricht von einer Lücke für dieses Segment auf dem Berner Wohnungsmarkt: Zwischen der Übernachtung im Hotel und dem normalen unbefristeten Mietvertrag für eine Wohnung gebe es kein grosses Angebot. Diese Lücke wolle der Fonds nun füllen.
In der dereinst umgebauten Schönburg sollen sich Langzeitaufenthalter ihren Bedürfnissen entsprechend einmieten können. Der Kundschaft würden auf Wunsch beispielsweise möblierte Appartements zur Verfügung gestellt, erläutert Vonaesch. Ziel sei, der Klientel eine reiche Palette von Dienstleistungen anzubieten: Vom Essens- über den Autowasch- bis hin zum Blumengiess-Service. Der Komfort im Mietshaus soll ergänzt werden durch Konferenzräumlichkeiten, Restauration und eine Wellness-/ Spa-Anlage. Als «einzigartige Stärke der Schönburg» komme «die privilegierte City-Lage mit Blick auf die Altstadt» und die hervorragende Verkehrserschliessung hinzu. Vonaesch ist überzeugt: «Das Potenzial für ein derartiges Angebot ist da.» Es gelte aber, den Markt in den kommenden Jahren im Auge zu behalten und gegebenenfalls schnell zu reagieren.

Kommt der obere Hausteil weg?
Eine Machbarkeitsstudie der Berner Marazzi + Paul Architekten für das Projekt Schönburg liegt vor. Vonaesch betont aber, dass der Fonds noch in einem sehr frühen Planungsstadium sei. Bis zu ihrem Auszug 2014 wird sich die Post noch in ihrem ehemaligen Gebäude einmieten. Sollte es beim Bau des neuen Hauptsitzes zu einer Verzögerung kommen, hat die Post die Option, den Mietvertrag zu verlängern. Bis 2014 werde das Projekt konkretisiert, sagt Vonaesch. Offen ist heute beispielsweise, wie viele Wohnungen entstehen werden. Theoretisch ist angesichts der 30000 Quadratmeter Mietfläche in der Schönburg eine dreistellige Anzahl Appartements möglich. Auch bezüglich der Mietpreise will Vonaesch noch keine Angaben machen. Es darf aber angenommen werden, dass man für den Einzug in der Schönburg ein dickes Portemonnaie mitbringen muss.
Fest steht, dass im Rahmen des totalen Umbaus auch Eingriffe zur Verbesserung der Energiebilanz des Gebäudes erfolgen werden. Und klar ist, dass die 1970 gebaute und ästhetisch heute nicht mehr überzeugende Liegenschaft ihr Äusseres dem Gebotenen im Inneren anpassen wird. Denkbar sei, sagt Vonaesch, dass das Gebäude bis auf die Grundstruktur ausgehöhlt werde, um eine optimale Umnutzung zu ermöglichen.

Auch teurer Wohnraum gefragt
Vonaesch rechnet mit einer Umbauzeit von rund zwei Jahren. Die neue Schönburg wird also frühestens 2016 bezugsbereit sein. Das Projekt sieht er auch als «riesige Chance für die Stadt Bern». Dem schliesst sich Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) an: Wenn tatsächlich ein Wohn- und kein Bürogebäude entstehe, sei das positiv für die Stadt. Wohnraum, auch teurer, sei gefragt, der Markt in Bern noch längst nicht gesättigt. Tschäppät spricht gar von einer Win-win-Situation: Das Projekt Schanzenpost sei deblockiert, die Post bleibe in Bern und in der Schönburg könne an attraktivster Lage Wohnraum entstehen. Er betont, dass die Mieterschaft – seien es nun Diplomaten, Politiker oder «normale» Bürger – alle zur Wertschöpfung in der Bundesstadt beitragen würden. Sei es mit Konferenzen, die Übernachtungen generierten, oder bloss der privaten Verköstigung in der Beiz.



Ein junger Anlagefonds
Der neue Besitzer der Schönburg existiert erst seit Ende 2007: Damals gründete die Credit Suisse ihren Immobilienfonds Real Estate Fund Living Plus. Dieser kauft und baut seither Gebäude für spezielles Wohnen und für Altersresidenzen. Heute besitzt er bereits 99 Liegenschaften im Wert von 1,3 Milliarden Franken. Jedes zehnte dieser Häuser steht im Kanton Bern. Dazu zählen die Altersresidenz Senecasita Burdlef in Burgdorf sowie Altersheime in Bern (Résidence), Dotzigen, Hinterkappelen, Gampelen und Oberönz.

Die Fondsanteile werden an der Börse gehandelt. Sie können sowohl von Pensionskassen als auch von Privatpersonen gekauft werden. Der Kurs liegt gegenwärtig bei 117 Franken. Das entspricht einer Zunahme seit Anfang Jahr von über 12 Prozent.

Gemanagt wird der Fonds von der bei der Credit Suisse zuständigen Abteilung für Immobilienanlagen. Diese verwaltet neben elf unterschiedlich ausgerichteten Immobilienfonds auch die Immobiliengesellschaft Swiss Prime Site: Ihr gehört das umgebaute Berner Eisstadion, die Postfinance Arena. Die Bande zwischen Credit Suisse und der Post bestanden somit schon vor dem Verkauf der Schönburg. (-ll-)


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