Deutsche Studis laufen Sturm gegen Bolognareform - 200'000 auf der Strasse

In Deutschland waren heute über 200'000 SchülerInnen und StudentInnen gegen Prekarisierung und kommerzialisierung von Bildung auf der Strasse. Stein des Anstosses ist die Bolognaumsetzung, hier gibts Infos:
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Deutsche Studenten wollen bessere Bedingungen
Ursula Hürzeler, DRS 1, 17.06.2009

Studentenproteste in Deutschland: Im Visier haben die Demonstranten die so genannten Bachelor-Lehrgänge, die mittlerweile in ganz Europa gelten.

Seit langem schon klagen die Studierenden in Deutschland wegen schlechter Bedingungen an den Hochschulen. Es gibt zu wenig Studienplätze, zu wenig Geld, zu viele, die studieren wollen. Und auch die erst vor kurzem eingeführten Studiengebühren wollen die Protestierenden wieder abgeschafft haben.
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Aufruf zum Bildungsstreik 2009

Die derzeitigen Zustände und Entwicklungen im Bildungssystem sind nicht weiter hinnehmbar! Weltweit sind Umstrukturierungen aller Lebensbereiche nicht mehr gemeinwohlorientiert, sondern den sogenannten Gesetzen des Marktes unterworfen. Seit ein paar Jahren ist auch das Bildungssystem in den Fokus solcher “Reformen” geraten: Bildungsgebühren und die Privatisierung treffen uns alle!

Die Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt deutlich, dass die Auswirkungen wettbewerbsorientierter Entscheidungskriterien verheerend sind. In vielen Ländern protestieren Menschen dagegen, so z.B. in Mexiko, Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland. In diesem internationalen Zusammenhang steht der Bildungsstreik 2009.

Der anhaltende Protest gegen Studiengebühren und Sozialabbau in den letzten Jahren hat bei den Verantwortlichen in Medien, Wirtschaft und Politik zu wenig Wirkung gezeigt. Deswegen rufen wir nun dazu auf, unsere demokratischen Rechte in Form eines bundesweiten Bildungsstreiks wahrzunehmen. Hier werden pluralistische Aktionsformen (Demonstrationen, Blockaden, Besetzungen etc.) ihren Platz finden. Während einer bundesweiten Aktionswoche vom 15.-19.06.2009 werden wir gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern im gesamten Bundesgebiet demonstrieren. Wir suchen das Bündnis mit vielen gesellschaftlichen Gruppen, wie Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, die wir ausdrücklich einladen, mit uns zu protestieren, denn wir sind überall mit der gleichen Politik konfrontiert: An der Hochschule, in den Schulen und im Betrieb.

Ziel des Bildungsstreiks ist es, eine Diskussion zur Zukunft des Bildungsystems anzuregen. Des Weiteren sollen Möglichkeiten einer fortschrittlichen und emanzipatorischen Bildungs- und Gesellschaftspolitk aufgezeigt und durchgesetzt werden. Dem Einfluss der maßgeblichen politischen und ökonomischen Interessen im Bildungsbereich setzen wir unsere Alternativen entgegen:
  • selbstbestimmtes Lernen und Leben statt starrem Zeitrahmen, Leistungsdruck und Konkurrenzdruck,
  • freier Bildungszugang und Abschaffung von sämtlichen Bildungsgebühren wie Studiengebühren, Ausbildungsgebühren und Kita-Gebühren,
  • öffentliche Finanzierung des Bildungssystems ohne Einflussnahme der Wirtschaft unter anderem auf Lehrinhalte, Studienstrukturen und Stellenvergabe
  • und Demokratisierung und Stärkung der Mit- und Selbstverwaltung in allen Bildungseinrichtungen.
Wir, die Projektgruppe Bildungsstreik 2009, rufen zur Bildung regionaler und lokaler Bündnisse auf. Bringt Euch in unsere bundesweiten Planungen ein: Ein anderes Bildungssystem ist möglich – und dringend nötig!

Projektgruppe Bildungsstreik 2009

link_ikon Alle Infos von und bei Indymedia.de

Seit letztem Jahr haben sich die Schulstreiks etabliert. Besonders erfolgreich war der letzte Schulstreik, bei dem bundesweit über 100.000 SchülerInnen auf die Straße gingen.Dieses Jahr haben sich ihnen die Studierenden angeschlossen und mobilisieren bundesweit zu einer Woche Bildungsstreik vom 15. bis 19. Juni.

Mit der Bildung geht es bergab
Immer schlechtere Lernbedingungen an Schulen und Universitäten, eine schleichende Kommerzialisierung, die selbst vor okkupierung studentischer Protestformen als Werbung nicht halt macht, ein genereller Abbau universitärer Demokratie, Einführung von Studiengebühren und Büchergeld, Umstellung auf nicht-studierbare verschulte Bachelor/Master Studiengänge, eine immer größere Einschränkung individueller Entfaltung in Schule, Berufsschule und Uni, ein generell selektives und seit mindestens 40 Jahren überholtes Schulsystem welches trotz Pisa-Studie weiter aufrecht erhalten wird... Die Mängelliste ist lang. Die Forderungsliste (SchülerInnen, Studierende) dagegen noch länger - auch wenn dies vielleicht auf den ersten Blick nicht so scheint.

Dezentralität

Denn der Bildungsstreik ist, entgegen aller Vermutungen von Presse und Polizei, nicht straff zentral organisiert, sondern besteht aus einer Vernetzung von vielen bundesweiten Klein- und Großgruppen, autonomen Schul- und Hochschulgruppen, offiziell gewählten StudierendenvertreterInnen und auch Gewerkschaften.
Das es nicht einfach ist, so viele und so unterschiedliche Gruppierungen unter einem Dach zu versammeln erscheint logisch. Und so war auch der Prozess bis zum heute gestarteten Streik ein schwieriger. Immer wieder machten unterschiedliche Organisationskonzepte und unterschiedliches Verständnis von Vernetzung es schwer - vor allem die Streitfrage, ob es eine dauerhafte Vernetzung geben soll oder nur eine Kampagne, spaltet die bundesweite Bewegung bis heute. Die Ausrichtung auf den Bundestagswahlkampf wie ihn der studentische Dachverband der Linkspartei "Die Linke.SDS" favorisiert und predigt, macht autonomen Gruppierungen neben Zentralisierungsbestrebungen bis heute schwer zu schaffen. Doch aller Widrigkeiten und Streitigkeiten zum Trotz ist es gelungen, einen gemeinsamen Streik auf die Beine zu stellen.
Das die bundesweiten Forderungen sich daher auf Floskeln wie "Mehr Geld für Bildung" reduzieren lassen ist daher eine logische Schlussfolgerung aus einem Kompromiss-system, welches weitergehende Forderungen als "bundesweite" Forderungen nicht zulässt. Das heißt allerdings nicht, dass es sie nicht gibt:
Wer auf den verschiedenen Homepages nachguckt stellt schnell fest, dass es den meisten Gruppen um mehr geht als nur ein bischen mehr Geld. Vom humanistischen Bildungsideal über die Benennung von Alternativen bis hin zum Aufbau eines ganz neuen Bildungssystems, den Sturz des Kapitalismus oder lokale Kämpfe wie dem Sturz von Präsidentin und Rüstungsforscherin Raketenmoni in Hamburg ist fast alles zu finden - was die Pluralität des Bildungsstreiks nur unterstreicht.

Eine volle Woche
Gemeinsam wollen SchülerInnen und Studierende dieses Jahr auf den Putz hauen. Während die Studierenden die ganze Woche streiken wollen haben sich die SchülerInnen auf den Mittwoch geeinigt. So wurde der Mittwoch zum Tag der Demos ernannt und gemeinsam hoffen SchülerInnen und Studierende an diesem Tag mehr als 150.000 Aktive auf die Straße zu bringen. (siehe Liste der Demonstrationen)


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