Weiteres Gebastel an der Berner Sicherheitspolitik - 100 Tage Reto Nause

Daniel Vonlanthen, Der Bund, 21.4.09

Nause zieht erste Bilanz

Stadt Bern Nach rund 100 Tagen im Amt hat Gemeinderat Reto Nause (cvp) eine erste Bilanz gezogen. Die Sicherheit in Bern sei im Prinzip gut, sagte der Sicherheitsdirektor gestern vor den Medien. Dennoch sieht er Handlungsbedarf. So erwägt er eine Ausdehnung des Bettelverbots über den Bahnhofbereich hinaus. Zudem will er ein Reglement für Videoüberwachung im öffentlichen Raum vorlegen, sobald der Kanton die Ausführungsgesetzgebung erlassen hat. Ein Dorn im Auge sind dem Polizeidirektor Ausschreitungen bei Sportveranstaltungen. Rund um das Stade de Suisse will Nause mobile Sperrzäune errichten lassen, wodurch Fans verschiedener Mannschaften einfacher voneinander getrennt werden können.

«Wir lösen den Problemstau»: Dies versprach die «Bürgerliche Mitte» vor den letzten Stadtberner Wahlen. Nun sitzt Reto Nause (cvp) als neuer bürgerlicher Vertreter seit rund hundert Tagen in der Stadtregierung; gestern zog er vor den Medien Bilanz. Das bürgerliche Kernthema Sicherheit will Sicherheitsdirektor Nause so weit bearbeiten, «dass es in vier Jahren zur Selbstverständlichkeit wird und von der politischen Agenda verschwindet». Die objektive Sicherheit wie das subjektive Sicherheitsgefühl dürften dann laut Nause allerorts in der Stadt zu keinen Klagen mehr Anlass geben.

Die Sicherheitslage erachtet er allerdings schon jetzt als gut. Dennoch hatte er im «Bund»-Interview vom 28. März diverse Sicherheitsmassnahmen angekündigt. Nause steht unter dem politischen Druck der Volksinitiative «Für eine sichere Stadt Bern», die von der CVP mitunterzeichnet wurde. Der Gemeinderat lehnt sie ab. Sie verlangt unter anderem eine stärkere sichtbare Polizeipräsenz. Der Gemeinderat hat hierzu einen Gegenvorschlag ausgearbeitet und eine Fristverlängerung zur Initiative beantragt.

Geteilte Verantwortung
Nause bezeichnet die Einführung der Einheitspolizei als Erfolg. Noch ausstehend ist laut Nause der Beweis dafür, ob die Trennung der operativen und strategischen Verantwortung sich auf Dauer bewährt: «Bei Grosseinsätzen kann diese geteilte Verantwortung zum Problem werden.» Die Interventionsschwelle für die Kantonspolizei habe sich oftmals als zu hoch erwiesen, etwa bei herumhängenden Jugendlichen oder bettelnden Ausländergruppen. Hier müsse die Stadt mit unbewaffneten Kräften selber Präsenz markieren. Nause befürwortet die Aufstockung der Orts- und Gewerbepolizei sowie der Interventionstruppe Pinto. Seit einigen Wochen sind die Patrouillen der Kantonspolizei vermehrt zu Fuss statt mit dem Streifenwagen unterwegs, wodurch die sichtbare Präsenz ebenfalls erhöht wird.

Die Sicherheit bei sportlichen Grossveranstaltungen bedarf laut Nause der Verbesserung. Rund um das Stadion Wankdorf sollen mobile Sperrzäune zur besseren Fantrennung errichtet werden. Der Gemeinderat bewilligte für die baulichen Massnahmen 170000 Franken. Das Bewilligungsverfahren zum Einbau von ebenerdigen und befahrbaren Hülsen im Strassenraum ist hängig. Die SBB ihrerseits haben die S-Bahn-Station Wankdorf bereits mit Rollgitterzäunen ausgerüstet. Durch die grossräumige Fantrennung können laut Nause Kosten für das Sicherheitspersonal eingespart werden.

Bettelverbot und Videokameras
Nach wie vor nicht vom Tisch ist für Nause ein Bettelverbot für die Innenstadt: «Das geltende Verbot muss über den Bahnhofperimeter hinaus ausgedehnt werden.» Nur durch Verbieten könne die organisierte Bettelei wirksam und schnell bekämpft werden. Zwar lehnt Nause ein flächendeckendes Verbot für die ganze Stadt ab. An seiner Sitzung vom 26. März hatte auch der Stadtrat entsprechende Vorstösse zur Einführung eines gesamtstädtischen Bettelverbots abgelehnt.

Demnächst erlässt der Kanton Ausführungsbestimmungen für die Videoüberwachung des öffentlichen Raums. Gestützt darauf will Nause ein städtisches Reglement vorlegen. An neuralgischen Punkten, etwa rund ums Stadion, könnten demnach bald Überwachungskameras montiert werden.

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100 Tage im Amt
Tobias Habegger, BZ, 21.4.09

Nause will Zaun beim Wankdorf
Seit Anfang Jahr ist Reto Nause (CVP) Gemeinderat. Gestern stellte er seine Pläne vor. Unter anderem gibts bald einen Zaun vom Stade de Suisse bis zur Station Wankdorf. Damit es an YB-Spielen weniger Polizisten braucht.

Über 100 Polizisten in Vollmontur, Wasserwerfer und Absperrfahrzeuge. Während der letzten drei YB-Heimspiele gegen Zürich, Basel und die Grasshoppers - allesamt Hochrisikospiele - funktionierte die Trennung der Fangruppen dank einem lückenlosen Polizeikordon zwischen Stade de Suisse und S-Bahn-Station Wankdorf. "Dass es für YB-Spiele so viele Polizisten braucht, darf kein Dauerzustand werden", sagte Sicherheitsdirektor Reto Nause gestern an einer Pressekonferenz, an der er nach 100 Tagen im Amt als Gemeinderat seine Pläne offenbarte.

Zaun ist im Sommer bereit
Nauses Lösung: Ein mobiler Zaun zwischen Stadion und Bahnhof. Quer durchs Wylerquartier kommen Zaunverankerungen in den Boden, analog zum Bundesplatz. Die mobilen Gitter werden bei Hochrisikospielen aufgebaut. "Polizisten wären zwar vor Ort nach wie vor nötig", sagte Nause, "aber in einer vernünftigen Anzahl."

Der Bau des mobilen Zauns kostet 170 000 Franken. Das Geld wurde vom Gemeinderat bereits im Jahr 2007 gesprochen. Das Baubewilligungsverfahren für die Bodenverankerungen läuft. "Der Zaun soll diesen Sommer stehen", sagte Nause.

Gitter lagern im Stadion

YB muss sich laut Nause indirekt an den Betriebskosten des Zauns beteiligen. "Zum Beispiel werden die Gitter im Stadion gelagert." Zudem beteiligen sich sowohl YB wie auch der SCB jährlich mit jeweils 60000 Franken an den bei ihren Spielen anfallenden Sicherheitskosten. "Der Betrag wird nicht erhöht", sagt Nause. "Denn die Klubs sind für Bern nicht nur ein Kosten- sondern auch ein Imagefaktor."

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Kameras bei den Stadien
Nach hundert Tagen als Sicherheitsdirektor nannte Reto Nause gestern erstmals zwei öffentliche Standorte, an denen er Überwachungskameras installieren lassen will: "Ich denke ans Gebiet rund ums Stade de Suisse und an die Postfinance-Arena." Aber auch andere Orte, an denen Passanten ein grosses Unsicherheitsgefühl hätten, würden überprüft. "Ich erhoffe mir von der Videoüberwachung positive Impulse."

Die gesetzliche Grundlage für die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes gibts im Kanton Bern seit September 2008. Die vom Regierungsrat ausgearbeitete Verordnung soll im Juli dieses Jahres vorliegen. Doch Nause sagt: "Bevor in Bern Kameras installiert werden, brauchts eine demokratischen Abstützung." Ein Entscheid des Stadtrates sei das Mindeste. "Möglicherweise gibts sogar eine Volksabstimmung."

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"Bobbys" sollen in Bern für ruhige Gassen sorgen
Reto Nause benutzt gerne einprägsame Sätze, um seine Ideen zu platzieren. So auch an der gestrigen Medienkonferenz (siehe Haupttext). "Sicherheit soll in Bern kein Thema sein - sondern eine Selbstverständlichkeit", sagte er. Seit der Polizeifusion im Januar 2008 ist die Kantonspolizei für die Stadt Bern zuständig. "Für eine seriöse Bilanz ist es noch zu früh", sagte Nause. Denn das Ausnahmeereignis Euro 08 im ersten Jahr des Polizeiressourcenvertrages verfälsche die langfristigen Durchschnittskennzahlen.

Polizisten öfters zu Fuss
Vor wenigen Wochen habe die Kantonspolizei auf Wunsch von Nauses Sicherheitsdirektion die Anzahl Fusspatrouillen in der Berner Innenstadt erhöht. Zwar sei die objektive Sicherheit bereits zuvor gewährleistet gewesen, betont Nause. "Doch mehr sichtbare Polizeipräsenz erhöht die subjektive Sicherheit - und jede Bürgerin und jeder Bürger soll sich sicher fühlen." Das fordert auch die FDP-Sicherheitsinitiative, zu welcher der Gemeinderat einen Gegenvorschlag formuliert.

Alte Idee neu lanciert

Gekonnt schlachtet Nause das Schlagwort der subjektiven Sicherheit aus. Er nutzt die Pressekonferenz, um eine Idee neu zu lancieren, die er bereits zu seiner Zeit als Stadtrat erfolglos zur Debatte brachte: Unbewaffnete Ortspolizisten nach dem Vorbild englischer Bobbys sollen in der Stadt patrouillieren. "Die Kantonspolizei greift erst ein, wenn Blut fliesst", sagt Nause bewusst überspitzt. Doch niemand reagiere auf Ruhestörungen, Pöbeleien besoffener Jugendlicher und Ähnliches. "Mit einer Aufstockung der Interventionstruppe Pinto und der Ortspolizei könnte die Stadt dem entgegenwirken."

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Betteln doch verbieten
Vor vier Wochen hat der Stadtrat ein Bettelverbot für die Innenstadt abgelehnt. Trotzdem plant Reto Nause einen weiteren Anlauf, zumindest "kriminellen und organisierten Bettelbanden" das Handwerk zu legen. "Es wird wärmer, und die organisierte Bettelei nimmt zu", sagte der Neo-Gemeinderat, als er den Medien gestern sein Programm vorstellte. "Bettelbanden aus dem Osten karren Kinder und Invalide nach Bern und stellen diese an den Strassenrand", sagte Nause. Solchen Auswüchsen könne man nur mittels punktuellen Bettelverbotes für bestimmte Plätze entgegentreten. "Ich bin überzeugt, der Stadtrat ist für ein solches Anliegen empfänglich." Natürlich sei bei der Durchsetzung eines allfälligen Verbotes Augenmass gefordert. "Die Gewerbepolizei darf nicht jeden bestrafen, der jemanden um einen Fränkler bittet."


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