Streit um Bauland, politisches Bern erneut zwischen den Fronten

Autofreies Oberfeld bewegt
Ivo Gehriger, Der Bund, 18.3.2008

Die Stadt Bern nehme die Wohnbaugenossenschaft (WBG) Oberfeld nicht ernst genug, kritisieren die Initianten der autofreien Siedlung. Man habe sehr viel Geduld gehabt, kontert Gemeinderätin Barbara Hayoz.

Ein Grundstück, zwei Interessenten. Das ist die Ausgangslage, mit welcher sich die Stadt Bern im Bezug auf den stadteigenen ehemaligen Schiessplatz Oberfeld in Ostermundigen seit Kurzem konfrontiert sieht. Am Montag wurde bekannt, dass nebst der Wohnbaugenossenschaft (WBG) Oberfeld, die seit Jahren auf einem Teil des Geländes eine autofreie Siedlung plant und diesbezüglich mit der Stadt verhandelt, eine weitere Interessentin im Raum steht (vgl. «Bund» von gestern). Ein «institutionelle Anlegerin», dem Vernehmen nach eine Pensionskasse, ist bereit, das gesamte Oberfeld zu kaufen und den Preis innert sechzig Tagen zu begleichen. Ein interessantes Angebot für die Stadt, aber eine schier übermächtige Konkurrenz für die WBG. Diese befürchtet, nach viel (finanziellem) Engagement leer auszugehen.

Gemeinderat gefordert

Es geht um Geld. Um viel Geld: Der Bruttowert des Oberfelds wird auf 50 Millionen Franken geschätzt. Es geht aber auch um die Wohnbaupolitik der Stadt Bern. Entsprechend fallen die Reaktionen von politischer Seite auf die neue Situation aus: Der autokritische Verein Läbigi Stadt fordert den Gemeinderat auf, «alles zu unternehmen, um die Realisierung des baureifen Projekts für eine autofreie Siedlung möglich zu machen». Die Stadt habe in einer selbst in Auftrag gegebenen Studie nachgewiesen, dass das Interesse an autofreiem Wohnen gross sei, schreibt der Verein in einem Communiqué. Zudem stehe in der Abstimmungsbotschaft geschrieben, dass das Land «etappenweise» und «an verschiedene Investoren und Investorinnen veräussert werden soll». Die Stadt solle sich deshalb für eine gemeinsame Lösung mit der WBG und der unbekannten Pensionskasse einsetzen. Das Grüne Bündnis (GB) wird morgen Abend im Stadtrat einen dringlichen Vorstoss zum Thema einreichen. Die Partei will unter anderem wissen, «nach welchen Kriterien der Verkauf beim Vorliegen von mehreren Offerten erfolgt». Für GB-Präsidentin Natalie Imboden ist klar: «Es darf nicht ein rein finanzpolitischer Entscheid sein.» Die Stadt müsse allein schon aus verkehrstechnischen und ökologischen Gründen ein lebhaftes Interesse an autofreiem Wohnen haben, sagt Imboden.

Bei der WBG selbst ist man nach wie vor enttäuscht über die Entwicklung. Noch Ende 2008 habe man der städtischen Liegenschaftsverwaltung ein Angebot unterbreitet, dass das gesamte Oberfeld umfasst hätte, sagt WBG-Vertreterin Christine Zehnder. Im Januar sei dann die Pensionskasse aufgetreten, mit einer Offerte, die «preislich zwar in unserem Rahmen ist», punkto finanzielle Sicherheit und Zahlungsmodalitäten aber klar besser sei, räumt Zehnder ein. Innert kürzester Frist ein ähnliches Angebot auf die Beine zu stellen, sei der WBG nicht möglich gewesen. Die Genossenschaft habe deshalb ihr Projekt redimensioniert. Denn sie könne bloss einen Drittel des Landes – entsprechend der Pensionskasse – innert 60 Tagen bezahlen. Bei einer Zusammenkunft mit der Kasse sei klar geworden, dass bei deren Vorhaben die WBG und ihre Pläne nicht erwünscht seien, sagt Zehnder. Sie begreift nicht, «weshalb die Stadt der Pensionskasse das gesamte Land abtreten will». Immerhin warteten 200 Personen in der WBG auf die baldige Realisierung der autofreien Siedlung – und dies sei doch auch im Interesse Berns. Zehnder wünscht sich von der Stadt, «dass sie die WBG endlich als potente Ansprechpartnerin anerkennt».

Hayoz: «Bern ist kein Krösus»
«Wenn wir die WBG nicht als potente Ansprechpartnerin betrachten würden, hätten wir wohl kaum 18 Monate lang mit ihr verhandelt», kontert Gemeinderätin Barbara Hayoz (fdp). Die Liegenschaftsverwaltung habe in den Verhandlungen eine «bemerkenswerte Geduld» aufgebracht; die WBG habe ihre Angebote immer wieder angepasst, mal seien Investoren ausgestiegen, mal neue hinzugekommen. Das Angebot der WBG von Ende 2008 hätte laut Hayoz den Verkauf des Oberfelds innert mehrerer Jahre vorgesehen. Es sei sicher einfacher für die Stadt, das gesamte Areal an einen einzigen Investor zu verkaufen, der sofort bezahle, statt auf unattraktiveren Teilen des Landes allenfalls sitzen zu bleiben. Doch, betont Hayoz, Entscheid sei noch gar keiner gefallen. Sie verstehe deshalb die Aufregung nicht. Sicher sei aber der Preis eines der Hauptkriterien für die Veräusserung des Oberfelds. Hier gelte es zu berücksichtigen, dass die Stadt ihren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber verantwortlich sei. Mit dem Erlös aus dem Oberfeld wolle Bern eigene Projekte realisieren. Die Stadt sei «nicht ein Krösus, der sich Geld ans Bein streichen kann». Würde die Stadt nicht ein Optimum aus dem Landhandel herausholen, «würde dies auch das GB nicht verstehen», sagt Hayoz.

Im Stadtrat höchst umstritten
Das Geschäft Oberfeld war bereits 2006 im Stadtrat höchst umstritten. Die Linke wollte den Verkauf an eine möglichst weit gehende Bevorzugung nachhaltiger Wohnbauprojekte koppeln, die Bürgerlichen den Markt frei spielen lassen. Als Kompromiss wurde vereinbart, dass während eines Jahres Investoren bevorzugt werden, «die bereit sind, das Land für einen marktüblichen Preis zu erwerben und autofreies Wohnen zu realisieren». Nach der Volksabstimmung 2007 wurde der WBG ein einjähriges exklusives Verhandlungsrecht eingeräumt. Doch auch die verlängerte Frist lief letzten Herbst ohne Vertragsabschluss aus: Aus einem Konsortium rund um die WBG, das das gesamte Land kaufen wollte, waren Investoren ausgestiegen. Die Stadt öffnete deshalb den Markt, verhandelte aber in den letzten Monaten auch weiterhin mit der WBG.


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