Wegweisungen in Bern - nur kurze Entspannung

Ruedi Kunz, Der Bund, 28.01.2009


2008 wurden in der Stadt Bern knapp 400 Fernhalteverfügungen ausgesprochen – meistens gegen Drogenabhängige.


Im letzten Sommer hatte es danach ausgesehen, als könne sich die Hauptstadt auf die Schultern klopfen. 76 Wegweisungen hatte die Polizei bis Mitte Jahr nur verfügt – so wenig wie noch nie, seit in Bern Personen weggewiesen werden können, die andere erheblich belästigen, gefährden oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören. Der zusätzliche Einsatz von Pinto, das neue Alkistübli auf dem Kurzparking des Bahnhofs und die Öffnung der Drogenanlaufstelle sonntags hätten zum Rückgang beigetragen, erklärte Sven Baumann, Generalsekretär der Sozialdirektion, im Juli 2008 auf Anfrage.

Ein halbes Jahr sieht sich Baumann mit Zahlen konfrontiert, die ihn nicht wirklich erfreuen. Über 300 Wegweisungen sind im zweiten Halbjahr verfügt worden. Insgesamt seien in der Stadt Bern 2008 knapp 400 Fernhalteverfügungen ausgesprochen worden, sagte Polizeisprecher Jürg Mosimann. In der Mehrzahl seien Drogenabhängige von diesen Massnahmen betroffen gewesen. Laut Mosimann intervenierte die Polizei vor allem rund um die Schützenmatte häufiger. Dies auf Geheiss des Gemeinderates, dem die offene Drogenszene ein Dorn im Auge ist. Keine Angaben konnte Mosimann zur Zahl der angezeigten Personen machen.

Baumann wollte gestern «keine Zahlen kommentieren, ohne sie im Detail zu kennen». Weiter sagt er, ihm seien keine Sachverhalte bekannt, die grössere Wegweisungsaktionen notwendig gemacht hätten. Auf der Schützenmatte habe sich die Situation stabilisiert, seit die Polizei und Pinto ihre Präsenz erhöht hätten. Die stark rückläufige Zahl von Wegweisungen in der ersten Jahreshälfte führt die Polizei auf den Umbau des Bahnhofplatzes zurück. Die Drogenkonsumierenden hätten sich während der Umgestaltung anderweitig getroffen, sagte Mosimann. Einen Einfluss hatte auch die Euro08, die rund 200'000 ausländische Besucher nach Bern lockte. Während des dreiwöchigen Grossanlasses war die Polizeipräsenz markant höher. Zudem seien drogenabhängige Personen während der Fussball-EM weniger aufgefallen, was zu deutlich weniger Meldungen aus der Bevölkerung geführt habe, so Mosimann.

Bern ist nicht die einzige Stadt, in der Wegweisungen möglich sind. Die Städte Winterthur und Chur kennen diese Praxis auch. Am 8. Februar wird in Basel und Luzern über die Einführung von Wegweisungsartikeln abgestimmt.

Kontext
Die Stadt Bern nimmt eine Vorreiterrolle ein punkto Wegweisungen. Laut Artikel 29 des bernischen Polizeigesetzes ist es Personen, deren Verhalten zur Wegweisung geführt hat, während der Dauer von drei Monaten verboten, sich an einem bestimmten öffentlichen Ort in Gruppen aufzuhalten.1999–2003 waren jeweils rund 800 Personen von Wegweisungen betroffen. 2004 meldete die Polizei 560 Wegweisungen, ein Jahr später waren es noch 420, 2006 gar nur 297 Verfügungen. 2007 verfügte die Polizei 487 Wegweisungen.


Creative Commons LicenseDieses Werk ist unter einer
Creative Commons-Lizenz
lizenziert.

Trackback URL:
https://rageo.twoday.net/stories/5516930/modTrackback