Wegweisungen im öffentlichen Raum

mjm, NZZ 27.1.09

Keine Toleranz gegenüber Störenfrieden in Basel und Luzern
Kantonale Abstimmungen vom 8. Februar


Wegweisungsartikel setzt sich in immer mehr Städten durch

In immer mehr Schweizer Städten und Kantonen kann die Polizei unliebsame oder aggressive Personen von bestimmten Orten wegweisen. In Basel und Luzern wird am 8. Februar ebenfalls über einen Wegweisungsartikel abgestimmt.

Basel ist stolz auf den ältesten und grössten Jahrmarkt der Schweiz. Insgesamt eine Million Besucher kommen jeweils an die Herbstmesse und geniessen die schnellen Bahnen. Luzern ist stolz auf seine touristische Visitenkarte, den Bahnhofplatz mit dem KKL von Stararchitekt Jean Nouvel. Doch an Rhein und Reuss wird die Idylle von aggressiven Jugendlichen gestört. Als die Basler Polizei vor zwei Jahren im Vorfeld der Herbstmesse gegen 13 gewaltbereite Jugendliche ohne Rechtsgrundlage ein Rayonverbot aussprach, kam eine Sicherheitsdiskussion ins Rollen. In Luzern sorgt die Situation zwischen Bahnhof und KKL für Dauer-Gesprächsstoff. Jugendliche und Randständige trinken auf dem Platz Bier, lärmen und pöbeln. Da kann es vorkommen, dass gewöhnliche Passanten mit Bierdosen beworfen werden.

24 und 72 Stunden
In beiden Kantonen wird am 8. Februar über einen Gesetzesartikel abgestimmt, mit dem Leute weggewiesen werden können, welche andere erheblich belästigen, gefährden oder ganz allgemein die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören. In Basel soll dies bis zu 72 Stunden der Fall sein, also ein ganzes Wochenende lang, in Luzern bis zu 24 Stunden. In beiden Kantonen soll die Wegweisung in besonders schweren Fällen bis zu einen Monat gelten. Als solche gelten etwa die aktive Teilnahme an einer gewalttätigen Auseinandersetzung. In Luzern wird zudem über weitere Massnahmen abgestimmt, so gegen wildes Anbringen von Plakaten und achtloses Wegwerfen von Abfall (Littering). Als Schweizer Premiere sollen in Luzern Polizisten in Zivil künftig Bussen von 40 bis 300 Franken gegen Abfallsünder aussprechen können. Damit soll verhindert werden, dass die Leute sich nur dann an die Vorschrift halten, wenn gerade ein Polizist in der Nähe ist.

In Zürich durch Beschwerde blockiert

Regelungen zur Wegweisung gibt es in immer mehr Kantonen und Städten, so in den Kantonen Bern, Solothurn, St. Gallen und in den Städten Winterthur und Chur. In Zürich ist die Einführung der Wegweisung nach dem Ja des Souveräns durch eine Beschwerde vor dem Bundesgericht blockiert. In Genf wird die Wegweisung seit zwei Jahren diskutiert. Eine Vorreiterrolle nimmt die Stadt Bern ein, wo die Wegweisung seit 1999 vor allem gegen die Bildung randständiger Gassenszenen angewendet wird. Im letzten Jahr sprach die Polizei 400 Wegweisungen aus, vor allem gegen Drogenabhängige.

Die Linke tut sich generell schwer mit der Wegweisung. In Luzern hat die SP zuerst das Referendum dagegen unterstützt, jedoch einige Monate später die Ja-Parole beschlossen, in Basel haben Grüne und SP Stimmfreigabe beschlossen. Die SP Basel lancierte die Diskussion mit eigenen Vorstössen, aber unterstützte den Wegweisungsartikel schliesslich nicht mehr, weil er ihr zu weit ging. Die Gegner aus dem meist linken Lager kritisieren die Wegweisung als unnötig und schwierig umsetzbar. Damit würde vor allem gegen Randgruppen vorgegangen, befürchten sie.

Störende Elemente im städtischen Erscheinungsbild würden unter dem Postulat der "City-Pflege" immer mehr an den Rand gedrängt. Ein Dorn im Auge ist den Gegnern auch der Eingriff in die Bewegungsfreiheit und damit in ein Grundrecht. Dass sich der Wegweisungsartikel gegen Randgruppen richte, bestreiten die bürgerlichen Befürworter. Er richte sich gegen Personen, die andere erheblich belästigen oder gefährden. Es sei klar, dass es für den öffentlichen Raum keine einfachen Rezepte gebe. Welches Verhalten als störend gilt, lässt sich im Gesetz zwar umschreiben, aber nicht präzis definieren. Für die Luzerner Polizeidirektorin Yvonne Schärli ist klar, dass die Polizei zuerst das Gespräch suche und vermittle, um die Situation zu entschärfen. Reiche dies nicht, könnten Störenfriede weggewiesen werden. Eine Wegweisungsverfügung für bis zu einen Monat würden nur Pikettoffiziere aussprechen.


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