Wegweisungsartikel in Luzern in Planung

Karin Winistörfer, NLZ, 14.1.09

Wegweisung- Schärli verspricht: Zuerst wird geredet

Die geplante Wegweisung schürt Ängste bei den Gegnern. Regierungsrätin Yvonne Schärli hält mehr Repression für unumgänglich.

Wer die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder Leute erheblich belästigt, soll weggewiesen werden können: Das sieht das geänderte Gesetz über die Kantonspolizei vor, über das die Luzerner am 8. Februar abstimmen. Doch: Welches Verhalten störend ist und was Belästigung heisst, lässt sich im Gesetz zwar umschreiben, aber nicht präzis definieren. Gegner fürchten Willkür und eine Aushöhlung des Rechtsstaats (siehe Kasten). Regierungsrätin Yvonne Schärli widerspricht und sagt, wie die Wegweisung angewendet würde.

Verdacht muss "begründet" sein

"Polizistinnen und Polizisten werden wie heute auf Patrouille gehen. Sie kennen die neuralgischen Orte: die Umgebung des Bahnhofs Luzern, die Ufschötti, bei Fussballmatches der Vorplatz des McDonald's beim Bahnhof, die Allmend", sagt Yvonne Schärli. "Daneben gibt es etwa in Ebikon, Emmen oder Sursee Probleme mit Personengruppen."

Falle eine Person oder Gruppe negativ auf, sähen die Polizisten genauer hin: Bei begründetem Verdacht, dass Leute die öffentliche Sicherheit und Ordnung störten, gefährdeten oder andere erheblich belästigten, suchten die Polizisten das Gespräch. "Sie werden geschult, um zu vermitteln und die Situation zu entschärfen", sagt Schärli. "Reicht das nicht, können Störenfriede für höchstens 24 Stunden weggewiesen werden."

Verfügung lässt sich anfechten

Wer sich widersetzt, erhält eine schriftliche Wegweisungsverfügung für bis zu einen Monat. Eine solche sprechen nur die Pikettoffiziere aus. Sie kann gerichtlich angefochten werden. Das ist für Yvonne Schärli eine Garantie gegen Willkür: "Die Polizei will nicht von der Verwaltung oder von Gerichten zurechtgewiesen werden. Sie hat alles Interesse, Willkür zu verhindern." Die Polizei wende die Rechtsbegriffe ("öffentliche Sicherheit und Ordnung", "begründeter Verdacht") bei ihrer Arbeit täglich an. Bei Wiederholung droht eine Strafe.

Yvonne Schärli sagt: "Ziel ist, dass der öffentliche Raum zu jeder Zeit und von allen genutzt werden kann. Polizisten dürfen nur handeln, wenn ihr Verdacht wirklich begründet ist. Es wird niemand weggewiesen, nur weil er vor dem KKL sitzt oder auf der Ufschötti herumhängt." Auch friedlichen Fussballfans oder feucht-fröhlichen Gruppen drohe nichts. Wohl aber pöbelnden Leuten, die Passanten belästigten. Wenn Gruppen räumlich getrennt werden könnten, liessen sich Schlägereien verhindern. "Ich war in mehreren Nächten mit der Polizei unterwegs und habe Situationen miterlebt, in denen die Wegweisung sehr nützlich gewesen wäre. Wir kommen nicht um eine gewisse Verschärfung und repressivere Gesetze herum", so Schärli.

Heute findet eine Podiumsdiskussion statt: "Wegweisung wer stört hier wen?", 19.30 Uhr, Uni (Hörsaal 1, Pfistergasse 20). Pro: Yvonne Schärli; Rolf Hermetschweiler (SVP-Kantonsrat). Kontra: Beni Kurmann (Bahnhofplatz-Benützer); Edith Lanfranconi (Grossstadträtin Grüne). Moderation: Jérôme Martinu, "Neue Luzerner Zeitung".

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Bündnis setzt auf bestehende Gesetze

Das Bündnis Luzern für Alle hält den Wegweisungsartikel für überflüssig und vage formuliert. "Das Problem ist der Interpretationsspielraum. Dieser ermöglicht Willkür", sagt Sprecher Oliver Renggli. "Die Polizisten entscheiden selber, welches Verhalten störend ist und welches nicht, und sprechen zugleich die Strafe, die Wegweisung, aus." Eine Wegweisung könne kaum umgesetzt werden, so Renggli, da sich nicht kontrollieren lasse, ob eine weggewiesene Person wieder zurückkomme. Der Hauptkritikpunkt: "Der Wegweisungsartikel baut Grundrechte ab. Es können Leute präventiv bestraft werden, nur auf den Verdacht hin, dass sie stören könnten. Auch wenn ihnen kein Vergehen angelastet werden kann", so Renggli. Rechtlich sei die Wegweisung deshalb nur eingeschränkt umsetzbar.

Kein weiteres Gesetz nötig

Aus der Sicht des Bündnisses reichen die bestehenden Gesetze: Wer pöbelt oder die Nachtruhe störe, könne mit den vorhandenen Gesetzen bestraft werden, ein weiteres sei nicht nötig.

Franziska Bürgi von der Juso, die im Bündnis vertreten ist, plädiert für mehr gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz. Jugend- und Sozialarbeiter sollten vermehrt auf Jugendliche zugehen und das Gespräch suchen. "Es wäre sinnvoll, mehr Frei- und Kulturräume zur Verfügung zu stellen", sagt Franziska Bürgi. Die Juso setze nicht auf Ausgrenzung, welche die Wegweisung bringen würde, sondern auf Toleranz aller Benützerinnen und Benützer des öffentlichen Raums.
kwi


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