Drogenszene verhindern - St. Galler Stadtpolizei doppelt so viele Wegweisungen

Sarah Gerteis, St. Galler Tagblatt, 27.11.08

Drogenszene verhindern

ST. GALLEN - 2007 hat die St. Galler Stadtpolizei doppelt so viele Wegweisungen und Fernhaltungen verfügt wie im Jahr davor. Von diesen Massnahmen betroffen waren hauptsächlich Randständige, die sich im Park der Kantonsschule am Burggraben aufhalten. Wegen eines Vorstosses im St. Galler Stadtparlament hat der Stadtrat dieses Vorgehen erklären müssen. Die Wegweisungen seien gerechtfertigt, weil mit diesem Instrument die Bildung einer offenen Drogenszene im Kantipark verhindert werde.


Stadtrat rechtfertigt Wegweisung
2007 hat die St. Galler Stadtpolizei mehr als doppelt so viele Wegweisungen verfügt wie 2006. Der Stadtrat hält dieses Vorgehen für gerechtfertigt. Man habe damit verhindern wollen, dass sich im Kantipark einen offene Drogenszene bilde. St. Gallen. 118 Wegweisungen und 51 Fernhaltungen hat die St. Galler Stadtpolizei im vergangenen Jahr ausgesprochen. Damit haben sich die Wegweisungen im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt (2006: 49). Bei den Fernhaltungen war die Zunahme gar um ein Vielfaches grösser: 2007 wurde das Instrument 51mal angewendet, 2006 nur einmal.

Die massive Zunahme liess Mitte dieses Jahres die politische Linke aufhorchen. Sie hatte den sogenannten Wegweisungsartikel bereits im Abstimmungskampf um das neue St. Galler Polizeireglement abgelehnt. Jedoch ohne Erfolg: Das Polizeireglement wurde samt dem umstrittenen Artikel angenommen und am 1. Januar 2006 in Kraft gesetzt. Seither hat die Stadtpolizei die Möglichkeit, Personen nicht nur aus dem öffentlichen Raum wegzuweisen oder fernzuhalten, wenn sie im Rauschzustand öffentliches Ärgernis erregen. Die Massnahme kann auch dann angewendet werden, wenn Personen im Verdacht stehen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören. Allerdings werde man den Artikel zurückhaltend einsetzen, hiess es von den Befürwortern.

Offene Drogenszene geortet
Der Anstieg der verfügten Wegweisungen hingegen sagt für die Gegner etwas anderes aus. Bettina Surber, SP-Stadtparlamentarierin und Mitglied des Netzwerks Stadt ohne Willkür, reichte deshalb im September eine Einfache Anfrage mit dem Titel "Massive Zunahme der Wegweisungen und Fernhaltungen wirft Fragen auf" ein. Sie wollte vom Stadtrat wissen, womit er die Zunahme begründe und ob allenfalls die Gassenarbeit intensiviert werden müsste.

Nun liegt die Antwort des Stadtrates vor. "Wegweisung und Fernhaltung werden verhältnismässig eingesetzt", schreibt er. Ursache für die Zunahme sei denn auch nicht eine Praxisänderung bei der Stadtpolizei gewesen, sondern "Ansätze zur Bildung einer offenen Drogenszene". Damit spricht der Stadtrat die Situation im Park der Kantonsschule am Burggraben an, wo 97 der insgesamt 169 Wegweisungen und Fernhaltungen ausgesprochen wurden.

Gassenarbeit nicht verstärken

Seit der Schliessung des Schellenackers im Jahr 1993 habe nur durch den täglichen Einsatz von besonderen Patrouillen verhindert werden können, dass sich eine neue offene Drogenszene bilde, schreibt der Stadtrat. Wegweisungen und Fernhaltungen erachte man deshalb als sinnvolles repressives Element der Drogenpolitik.

Trotz der Probleme im Kantipark sieht der Stadtrat jedoch von einem Ausbau der Gassenarbeit, die heute als aufsuchende Sozialarbeit bezeichnet wird, ab. Die Lage werde an regelmässigen Treffen beurteilt. Gegenwärtig bestehe jedoch kein Handlungsbedarf, die aufsuchende Sozialarbeit zu intensivieren.

Stadtparlamentarierin Bettina Surber ist mit dieser Antwort "überhaupt nicht zufrieden". Wenn es im Park der Kantonsschule diese Probleme gebe, wäre der Ausbau der Gassenarbeit sicher besser als das Verfügen von Wegweisungen.


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