Basel führt den "befristeten Platzverweis" ein

Aiolfi S., NZZ, 16.10.08

Bürgerliche setzen sich im Grossen Rat gegen die Linke durch
"Gewaltbereite Personen" können in Basel künftig von öffentlichen Orten durch die Polizei weggewiesen werden. In der Parlamentsdebatte setzten sich die Bürgerlichen gegen die Linke durch.

Das Basler Polizeigesetz erhält einen Wegweisungsartikel, wie ihn in ähnlicher Form bereits die Kantone Bern, Zürich, St. Gallen, Aargau und bald auch Luzern kennen. Das Parlament hat mit deutlichem Mehr einem neuen Paragrafen im Polizeigesetz zugestimmt, der es den Ordnungshütern erlaubt, "gewaltbereite Personen" von einem genau bestimmten, öffentlichen Ort fernzuhalten. Nötig geworden war die Regelung, nachdem an der Herbstmesse 2007 von einem Jugendanwalt gegen 13 aggressive Jugendliche ein Rayonverbot für den Bereich der Kaserne ausgesprochen worden war. Die Massnahme hatte zwar die gewünschte deeskalierende Wirkung gezeigt, war aber ohne Rechtsgrundlage verfügt worden. Dieses Manko ist nun behoben worden.

Links und Rechts mit vertauschten Rollen
In der Parlamentsdebatte konnten sich die für mehr Polizeikompetenzen kämpfenden Bürgerlichen gegen die Linke, die für einmal anti-etatistisch argumentierte, durchsetzen. Während Erstere den gewaltpräventiven Charakter des neuen Gesetzes unterstrichen und betonten, die Wegweisung sei eine mildere Massnahme als das bestehende Mittel des Polizeigewahrsams, vertraten Letztere die Meinung, mit polizeilichen Verfügungen liessen sich Sozialprobleme nicht lösen.

Das nun angenommene Gesetz sieht unter anderem vor, dass Personen für bis zu 72 Stunden von einem öffentlichen Ort ferngehalten werden können, wenn sie Dritte gefährden, diesen mit Gewalt drohen oder wenn sie durch ihr Verhalten die Gefahr einer gewalttätigen Auseinandersetzung heraufbeschwören. Diese letztgenannte Bestimmung, die im Wesentlichen den Tatbestand der Provokation umfasst, war den Linken ein Dorn im Auge, da sich, wie sie meinten, das "Verhalten" nicht genau definieren lasse und der Polizei zu viel Spielraum lasse. Die SP nahm überdies Anstoss an der Wegweisungs-Dauer von 72 Stunden und meinte, eine so massive Einschränkung der persönlichen Freiheit müsse auf 24 Stunden beschränkt bleiben. Polizeidirektor Hanspeter Gass (fdp.) und eine Reihe bürgerlicher Grossräte verteidigten die beiden Regelungen mit dem Hinweis, dass ohne sie dem Gesetz die nötige Schlagkraft fehle. In den Teilabstimmungen zu den beiden Punkten obsiegte schliesslich die Rechte, nicht zuletzt dank der Unterstützung durch die kleinen Mitteparteien.

Platzverweis bis zu einem Monat
Zu reden gab sodann ein Gesetzesabschnitt, der den Sicherheitskräften die Möglichkeit einräumt, in "schwerwiegenden Fällen" ein Rayonverbot von bis zu einem Monat auszusprechen. Die Justiz- und Sicherheitskommission des Grossen Rates hatte in ihrer Stellungnahme zum regierungsrätlichen Ratschlag die Ansicht vertreten, dass diese Massnahme nur bei Personen angewendet werden sollte, die wiederholt von einem Ort verbannt worden seien oder eine Wegweisung missachtet hätten. Der Regierungsrat und die Rechtsparteien hatten dagegen auch "Ersttäter" im Visier, unter anderem solche, die Waffen mit sich führen oder sich aktiv an Schlägereien beteiligen. Auch in diesem Fall vermochte sich die härtere bürgerliche Linie durchzusetzen.

Auf Antrag der Grünen wurde immerhin ein Abschnitt aufgenommen, der die Polizei verpflichtet, weggewiesene Gewalttäter über "adäquate Beratungsstellen" zu informieren. Ein Abschnitt, der auf die Verbannung von Personen abzielte, die durch ihr Verhalten Dritte an der "bestimmungsgemässen Nutzung des öffentlichen Raums" hindern, wurde dagegen gestrichen; die Linke hatte geargwöhnt, dass diese Regelung für das Fernhaltung von missliebigen Randständigen (nach Berner Vorbild) missbraucht werden könnte.


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