Suche nach Ausweg aus der Euro-Krise

Urs Bruderer, Echo der Zeit (DRS 1), 22.10.2011

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Die EU-Finanzminister haben sich in Brüssel darauf geinigt, dass die Banken Griechenland wesentlich mehr Schulden erlassen sollen. Gleichzeitig sollen die Geldinstitute ihr Kapital erhöhen, um einem Schuldenschnitt für Griechenland Stand zu halten.

Als Kommetar ein Auszug aus link_ikon Wir sind der Markt - Spekulation und Alltag, ein sehr lesenswerter Artikel, der in der aktuellen Ausgabe der Le Monde Diplomatique erschienen ist:

Im Vergleich mit amerikanischen, spanischen oder britischen Hypotheken galten Staatsanleihen als fast risikofrei. Denn Staaten gehen selten bankrott und können zur Not immer Steuern eintreiben (so jedenfalls die Annahme). Also begannen die geschockten "Anleger" von unserem - vom Staat aus Steuermitteln wieder aufgestockten - Geld vorzugsweise Staatsanleihen zu kaufen, also Schuldscheine eines Staats, der verspricht, die Schulden plus festgelegten Zinsen in einer bestimmten Frist zurückzuzahlen.

Vor Kurzem mussten die "Anleger" in Staatsanleihen allerdings feststellen, dass auch diese Käufe keine gute Idee waren. Denn in Griechenland, Irland und Portugal, aber scheinbar auch in Spanien und Italien ist der Staatsschuldenberg so stark gewachsen, dass jeder, der bis drei zählen kann, sich ausrechnen kann: Das Geld kommt nicht zurück, jedenfalls nicht ohne "haircut". Wer das zuerst merkt, hat ein schönes Objekt für Baisse-Spekulation gefunden. Gelingt sie, fallen die Preise, und deshalb versuchen immer mehr "Anleger" diese Staatsanleihen zu verkaufen.

In der verqueren Sicht der Finanzmärkte wird dieses Ereignis allerdings nicht als das dargestellt, was es ist, nämlich ein herber Verlust für alle, die diese Papiere einmal teurer gekauft haben, als sie sie nun verkaufen. Vielmehr ist primär von einer Staatsschuldenkrise die Rede, die sich an dem steilen Anstieg der "Erträge" etwa auf griechische Staatsschuldenpapiere ablesen lässt.[5] Diese Erträge gelten als Risikoaufschläge. So entsteht der Eindruck, als müssten Portugal oder Griechenland sofort höhere Zinsen für ihre Schulden zahlen.

Das ist aber nicht der Fall, jedenfalls dann nicht, wenn der betroffene Staat aktuell keine neuen Staatsschuldenpapiere ausgibt. Die ausgerufene Krise ist vielmehr ein Zweitmarktproblem, es geht also um den Handel mit bereits in privaten Händen befindlichen Papieren. Wenn der betreffende Staat seine Zahlungsverpflichtungen einhält, erzielen die neuen Käufer tatsächlich höhere Erträge. Wenn nicht, haben sie sich verspekuliert, und die Verkäufer hatten recht, weil sie ihre Verluste klein halten konnten.

Der Witz an dieser Art, das Risiko von Anlagen in Staatsschulden mithilfe der aktuellen Erträge auf bereits ausgegebene Staatsobligationen darzustellen, besteht vor allem in dem erzeugten Eindruck, dass nicht die privaten Halter der Staatspapiere in der Krise stecken, sondern der betreffende Staat, auch wenn er, etwa weil er unter den Eurorettungsschirm gezwungen wurde oder die EZB interveniert, aktuell gar nicht auf dem Markt auftritt. So entsteht politischer Handlungsbedarf. Da die Wirtschaftsmedien davon ausgehen, dass die "Märkte" immer recht haben, steht nun ein Staat als hochriskanter Schuldner dar. Also fragt sich auf einmal alle Welt, was zum Beispiel in Griechenland los ist.


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