Ostermundigen (Bern): Finanznot, mehr Wohnungen & mehr Steuereinnahmen

Lisa Stalder, Der Bund, 01.03.2011

Ostermundigen: Die grosse Hoffnung auf mehr Zuzüger

Mehr Wohnungen, mehr Steuereinnahmen: Das ist die Hauptstrategie zur Rettung der Ostermundiger Finanzen. Doch die Zahlen der letzten zehn Jahre lassen Zweifel aufkommen, ob sie auch aufgeht.

Es ist kein Geheimnis: Die finanziellen Aussichten der Gemeinde Ostermundigen sind alles andere als rosig. Die Rechnung 2010 schliesst bestenfalls wie budgetiert, also mit einem Defizit von 2,5 Millionen Franken, das Budget 2011 geht von einem Verlust von 4,6 Millionen aus, und gemäss dem Finanzplan ist das Eigenkapital Ende 2013 aufgebraucht. Eine Erhöhung des relativ hohen Steuersatzes von 1,65 Einheiten ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Es sei denn, die Strategie des Gemeinderats, mit dem Ankurbeln der Wohnbautätigkeit neue Steuerzahler nach Ostermundigen zu holen, geht bald auf. Bis 2019 sollen wieder rund 17'000 Personen in der Gemeinde leben – fast so viele wie Anfang der 1980er-Jahre.

Viele neue Siedlungen
Bisher sah es ganz danach aus, als ob das Ziel des Gemeinderats schon bald erreicht werden könnte. In keiner anderen Gemeinde in der Region Bern ist in den letzten zehn Jahren so viel neuer Wohnraum entstanden wie in Ostermundigen. Insgesamt 654 neue Wohnungen wurden seit 2002 gebaut. Es konnten Wohnungen in der Seniorenresidenz Tertianum, am Jurablickweg und zuletzt auch auf dem Rütihoger («Wohnterrassen») bezogen werden. Noch im Bau befindet sich die Überbauung Hättenberg. Doch damit nicht genug: Erst kürzlich wurden zwei Baugesuche für die ersten 165 Wohnungen auf dem Oberfeld eingereicht. Auf dem ehemaligen Schiessplatz sollen in den nächsten Jahren über 500 neue Wohneinheiten gebaut werden; die ersten Wohnungen sollen 2012 bezugsbereit sein.

Mehr Wohnungen als Zuzüger
Doch ein Blick auf die Entwicklungszahlen der vergangenen zehn Jahre zeigt ein weniger positives Bild: Die Einwohnerzahl ist zwar angewachsen (um insgesamt 203 Personen), aber nicht im gleichen Masse wie der neue Wohnraum (654 neue Wohnungen).

Gemeindepräsident Christian Zahler (SP) sagt dazu, dass es diese Zahlen entsprechend zu interpretieren gelte: Nachdem die Einwohnerzahl Anfang der 1980er-Jahre ihren Höchststand erreicht hatte, ging sie kontinuierlich zurück – bis auf 15'132 Personen Ende 2005. «Zu jenem Zeitpunkt hatte die Wohnbautätigkeit aber bereits begonnen», so Zahler. Seit 2006 sei die Bevölkerung dann allerdings um über 450 Personen auf 15'587 (Ende 2010) angewachsen. «Diese Zahlen zeigen deutlich, dass sich die Wohnbautätigkeit erst zeitverzögert auswirkt. Wir werden die Früchte aber bald ernten können.» Denn dank der über 500 Wohnungen, die in den nächsten Jahren gebaut werden, könne mit einem weiteren Anstieg gerechnet werden.

Diese Zahlen verdeutlichten auch, dass heute pro Person mehr Wohnraum beansprucht wird, so der Gemeindepräsident. Durch den Bau neuer Wohnungen sei es auch möglich gewesen, Leute in der Gemeinde zu halten, die Ostermundigen sonst womöglich verlassen hätten. «Sie sind aber geblieben, weil sie in Ostermundigen eine neue Wohnung gefunden haben, die ihnen entspricht. Und das ist gut so.»

Mehr Leute, weniger Steuern
Nun bleibt allerdings noch die Frage ungeklärt, weshalb Steuereinnahmen und Einwohnerzahl in den letzten Jahren nicht im gleichen Masse angewachsen sind. Besonders auffällig ist der Unterschied in den Jahren 2008 und 2009. Während die Gemeinde 2008 fast 27,9 Millionen Franken Steuern natürlicher Personen einnahm (Fr. 1821.50 pro Kopf), waren es 2009 nur noch gut 27,7 Millionen Franken oder 1791.35 Franken pro Kopf. Das lässt den Schluss zu, dass die neuen, teureren Wohnungen von Personen bezogen wurden, die bereits in der Gemeinde wohnhaft waren. Die frei werdenden, günstigeren Wohnungen wurden hingegen von steuerschwächeren Neuzuzügern bezogen.

«Grosse Sorgen» wegen Revision
Doch Zahler relativiert: Diese Einbussen hätten vielmehr mit der ersten kantonalen Steuergesetzrevision zu tun als mit dem (fehlenden) steuerbaren Einkommen der Zuzüger. Zahler rechnet damit, dass auch die Einführung der zweiten Steuergesetzrevision, welche vor knapp einem Jahr vom Grossen Rat abgesegnet wurde, der Gemeinde nochmals «grosse Sorgen» bereiten wird.

In diesem Zusammenhang habe der Gemeinderat bereits angetönt, dass er eine Steuererhöhung in Betracht ziehe. Es wäre dies eine «teilweise Kompensation, der vom Kanton gewährten Steuersenkung». Es sei nicht auszuschliessen, dass der Steuersatz bereits auf 2012 hin auf 1,7 Einheiten erhöht würde. «Doch bevor irgendetwas entschieden wird, müssen wir die Zahlen von 2010 kennen», sagt Gemeindepräsident Zahler. Mit diesen sei im Frühjahr zu rechnen. Es sei aber klar, dass diese in die nächste Budgetdebatte einfliessen würden.

Zahler weiterhin zuversichtlich
Er persönlich sei nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Wachstumsstrategie eine gute Strategie sei. Dies nicht zuletzt, weil in Ostermundigen die nötige Infrastruktur zu einem grossen Teil bereits vorhanden sei. Bei einem Bevölkerungsanstieg auf 17'000 Personen müsste beispielsweise keine neue Schule gebaut werden, «der nötige Schulraum besteht bereits».

Zahler setzt zudem grosse Hoffnungen in das «Tram Region Bern», das dereinst den 10er-Bus ersetzen soll. Mit dem Tram werde die Gemeinde für potenzielle Investoren noch attraktiver. «Gerade vor diesem Hintergrund wäre es schade, auf die Entwicklung der Gemeinde zu verzichten.»


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