AAA-Status der Vereinigten Staaten infrage gestellt

Philipp Löpfe, Der Bund, 17.01.2011

USAAA ist in Gefahr

Ratingagenturen wagen es, den AAA-Status der Vereinigten Staaten infrage zu stellen. Dort hat sich die Schuldensituation wegen der Finanzkrise verändert. Zwei weitere Faktoren kommen erschwerend hinzu.

Der Markt für US-Staatsanleihen ist der bedeutendste Markt des internationalen Finanzsystems. Er ist gewissermassen das Meer des Finanzglobus. Verglichen mit ihm sind die anderen Märkte allenfalls Seen oder Teiche. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass US-Staatsanleihen mit dem Gütesiegel «AAA» der internationalen Ratingagenturen ausgezeichnet werden. Sie bieten den Anlegern Gewähr, dass sie ihr Geld zurückerhalten und ist daher eine Art Freibrief für Versicherungen und Pensionskassen, dort auch zu investieren.

Die Ratingagentur Moody’s bewertet US-Staatsanleihen seit 1917 und hat ihnen stets das sogenannte «Triple A» verliehen. Zu Recht, die USA sind zusammen mit der Schweiz das einzige Land, dass bisher immer seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Auch die Ratingagentur Standard & Poor’s hat daher die USA stets mit dem Qualitätssiegel ausgezeichnet.

Das klingt zwar harmlos
Nun melden beide plötzlich Bedenken an. In ihrem jüngsten Quartalsbericht, deutet Moody’s neuerdings an, dass angesichts der Entwicklung der amerikanischen Staatsschulden eine Rückstufung von T-Bonds in den Bereich des Möglichen gerückt sei. Und auch bei Standard & Poor’s liess sich der Chef des Pariser Büros vom Nachrichtendienst Dow Jones wie folgt zitieren: «Wir können die Möglichkeit, dass wir eines Tages unsere Einschätzung ändern werden, nicht mehr ausschliessen.» Das klingt zwar harmlos, doch zum Vergleich: Die beiden Äusserungen der Ratingagenturen sind etwa so zu werten, wie wenn Kardinäle im Vatikan auf Lateinisch die Unfehlbarkeit des Papstes infrage stellen würden.

Tatsächlich hat sich die Schuldensituation in den Vereinigten Staaten wegen der Finanzkrise dramatisch verändert. Heute muss der Staat 40 Cents von jedem Dollar, den er ausgibt, borgen. Inzwischen ist die Schuldenlast auf 62 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) angestiegen. Läuft dieser Trend ungebrochen weiter, wird die Quote im Jahr 2035 auf 185 Prozent ansteigen.

Bundesstaaten pfeifen aus dem letzten Loch
Angesichts dieser Entwicklung steigt die Furcht, dass die Investoren irgendwann die USA bestrafen wollen und höhere Zinsen verlangen. Das würde nicht nur das «Triple A» gefährden. Mike Mullen, der Chairman der Joint chiefs of staff, dem obersten Militärgremium, sieht in der Schuldenkrise bereits die «bedeutendste Bedrohung der nationalen Sicherheit».

Zwei weitere Faktoren kommen erschwerend hinzu: Erstens wird die finanzielle Situation der USA durch die demografische Entwicklung weiter destabilisiert. Die Generation der Baby-Boomer kommt ins Rentenalter und wird die Kosten für Altersvorsorge und Gesundheit weiter ansteigen lassen. Zudem sind auch einzelne Bundesstaaten mehr als klamm. Kalifornien und Illinois, aber auch Texas und New Jersey, pfeifen buchstäblich aus dem letzten Loch. Sie entlassen Lehrer, Polizisten und Gefängniswärter und können kaum mehr ihre Infrastruktur aufrechterhalten.

Zeichen der Hoffnung
Die Situation ist paradox: Die USA sind immer noch das reichste Land der Welt und haben im internationalen Vergleich eine sehr tiefe Steuerbelastung. Eine richtige Mehrwertsteuer kennen die Amerikaner bis heute nicht, obwohl gerade eine Konsumsteuer gemäss ökonomischer Vernunft sich geradezu aufdrängen würde. Bisher hat die politische Unvernunft dies erfolgreich verhindert.

Doch immerhin gibt es Zeichen der Hoffnung. Der Bundesstaat Illinois hat sich angesichts der immer auswegsloser werdenden Situation entschlossen, die Einkommens- und Unternehmenssteuern leicht zu erhöhen. Und zur allgemeinen Erleichterung ist er weder von einem Bannstrahl Gottes getroffen noch von einer Sintflut zerstört worden.


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