Run auf südliches Agrarland
Daniel Friedli, Der Bund, 17.5.2010.
Das Geschäft mit Agrarland in Drittweltländern lockt auch Schweizer Fonds und Firmen an.
Der Direktor der UNO-Ernährungs organisation (FAO) warnt vor einem alten Übel in neuer Form. Als «neuen Kolonialismus» bezeichnet Jacques Diouf, was seit einigen Jahren in Afrika, Asien und Südamerika eingesetzt hat: der Run von Staatsfonds und immer häufiger auch privaten Investoren auf fruchtbares Agrarland – mit dem Ziel, die eigene Nahrungsmittelversorgung zu sichern oder gute Geschäfte mit steigenden Agrarpreisen zu machen.
Dabei rennen, bisher wenig beachtet, auch Schweizer Firmen mit. Der Zuger Rohstoffkonzern Glencore etwa bewirtschaftet in Ländern wie Paraguay, der Ukraine oder Kasachstan insgesamt 300 000 Hektaren gekauftes oder gepachtetes Land – eine Fläche, fast so gross wie der Kanton Waadt. Und die Firma Addax Bioenergy in Genf, ein Kind des milliardenschweren Waadtländer Investors Jean-Claude Gandur, machte unlängst in Sierra Leone mit dem grössten im Land je abgeschlossenen Agroinvestment Schlagzeilen: Addax pachtet für 50 Jahre das Recht, auf 10 000 Hektaren Land Zuckerrohr anzubauen, um dieses dann in Form von Agrotreibstoff nach Europa zu exportieren. Dies in einem Land, wie Entwicklungshelfer monieren, in dem viele Menschen an Mangelernährung leiden.
Schweizer Banken mischen mit
Daneben offerieren mehrere Schweizer Unternehmen Investitionsmöglichkeiten im Business mit Agrarland. Die Bank Sarasin etwa bietet einen Fonds an, der am weltgrössten Ethanol-Exporteur Cosan in Brasilien beteiligt ist. Bei der Bank Pictet kann man ebenfalls via Fonds beim asiatischen Agro-Riesen Wilmar einsteigen, der in Indonesien Land in der Grösse des Kantons Wallis für Palmölplantagen besitzt. Fondsgesellschaften wie Lumix oder Gaia Capital Management investieren von der Schweiz aus in geleastes Farmland; und eine Tochter der Credit Suisse firmiert als Aktionärin der schwedischen Alpcot Agro, die im grossen Stil Land in der ehemaligen Sowjetunion aufkauft.
Die Schweizer Hilfswerke kritisieren diese Entwicklung scharf. Mit ihrer Teilnahme an diesem «Land Grabbing» (Land an sich reissen) würden die Firmen dazu beitragen, in den betroffenen Gebieten Armut und Hunger zu verschärfen, monieren die Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer in der jüngsten Ausgabe ihres Magazins «EinBlick». In ihrem Urteil zerstört diese Politik die kleinbäuerliche Struktur vieler Entwicklungsländer – mit bösen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen: Der Anbau von Monokulturen für den Export verdrängt die einheimische Lebensmittelproduktion, die lokalen Bauern werden schlecht entschädigt oder vertrieben, Wasser und Land zulasten der Biodiversität übernutzt. Die Profite versickerten umgekehrt bei den Investoren oder korrupten Regierungen. «Der Boden muss als Ernährungsgrundlage in der Hand der lokalen Bevölkerung bleiben», sagt auch der grüne Nationalrat Jo Lang. Er fordert darum den Bundesrat auf, sich international für ein Verbot des «Land Grabbing» einzusetzen.
Deza: Chance mit Risiken
Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), die dieses Phänomen seit längerem verfolgt, setzt indes auf einen anderen Weg. Dass sich afrikanische Staaten aktiv und erfolgreich um Kapital und Knowhow bemühen, wertet sie im Grundsatz positiv. Die Deza sieht daher im Boom der Agrar investitionen auch eine Chance, selbst wenn sie sich der Risiken bewusst ist – und diese selber schon erlebt hat. Im Niger versuchten saudische Investoren (bisher ohne Erfolg) auf 40 000 Hektaren Reis in einem Schutzgebiet anzubauen, in dem auch die Deza tätig ist. Und in Ländern wie Äthiopien oder dem Sudan wurde Nahrungsmittelhilfe geleistet, obwohl dort gleichzeitig wertvolles Land an Investoren verpachtet wird. Die Schweiz arbeitet darum auf internationaler Ebene aktiv daran, aus dem verpönten «Land Grabbing» eine Win-win-Situation für alle Beteiligten zu machen. In der FAO unterstützt sie Bestrebungen, die Entwicklungsländer mit Richtlinien über Eigentumsrechte und Ressourcenverteilung zu einem nachhaltigen Umgang mit dem Land zu bewegen. Zudem beteiligt sie sich an der Ausarbeitung von Prinzipien, die sich an die Investoren richten. Sie sollen die lokalen Landrechte respektieren, betroffene Bauern entschädigen und einen Beitrag an die Ernährungssicherheit leisten.
Nicht a priori falsch
Zu solchen Standards bekennt sich auch Addax Bioenergy in Sierra Leone – und entschädigt unter diesem Titel die Landbesitzer mit 12 Dollar pro Jahr und Hektare. Dass auch bei diesem Projekt primär fürs Ausland produziert wird, ist für die Entwicklungsexperten des Bundes nicht a priori falsch. Auch Exportstrategien könnten zur Ernährungs sicherheit beitragen, wenn dabei genug Devisen ins Land kämen und die Bevölkerung an der Wertschöpfung beteiligt sei, argumentieren sie. So sehen es auch viele afrikanische Regierungen. Wie Jacques Diouf beschweren auch sie sich über Neokolonialismus – freilich in ganz anderem Sinne: Der Norden, so heisst es, solle sich davor hüten, Afrika einmal mehr zu sagen, was es zu tun habe. Die Hilfswerke wiederum kontern dies mit Verweis, dass es ja gerade die lokale Bevölkerung sei, die sich vielfach gegen die Investoren zur Wehr setze.
Das Geschäft mit Agrarland in Drittweltländern lockt auch Schweizer Fonds und Firmen an.
Der Direktor der UNO-Ernährungs organisation (FAO) warnt vor einem alten Übel in neuer Form. Als «neuen Kolonialismus» bezeichnet Jacques Diouf, was seit einigen Jahren in Afrika, Asien und Südamerika eingesetzt hat: der Run von Staatsfonds und immer häufiger auch privaten Investoren auf fruchtbares Agrarland – mit dem Ziel, die eigene Nahrungsmittelversorgung zu sichern oder gute Geschäfte mit steigenden Agrarpreisen zu machen.
Dabei rennen, bisher wenig beachtet, auch Schweizer Firmen mit. Der Zuger Rohstoffkonzern Glencore etwa bewirtschaftet in Ländern wie Paraguay, der Ukraine oder Kasachstan insgesamt 300 000 Hektaren gekauftes oder gepachtetes Land – eine Fläche, fast so gross wie der Kanton Waadt. Und die Firma Addax Bioenergy in Genf, ein Kind des milliardenschweren Waadtländer Investors Jean-Claude Gandur, machte unlängst in Sierra Leone mit dem grössten im Land je abgeschlossenen Agroinvestment Schlagzeilen: Addax pachtet für 50 Jahre das Recht, auf 10 000 Hektaren Land Zuckerrohr anzubauen, um dieses dann in Form von Agrotreibstoff nach Europa zu exportieren. Dies in einem Land, wie Entwicklungshelfer monieren, in dem viele Menschen an Mangelernährung leiden.
Schweizer Banken mischen mit
Daneben offerieren mehrere Schweizer Unternehmen Investitionsmöglichkeiten im Business mit Agrarland. Die Bank Sarasin etwa bietet einen Fonds an, der am weltgrössten Ethanol-Exporteur Cosan in Brasilien beteiligt ist. Bei der Bank Pictet kann man ebenfalls via Fonds beim asiatischen Agro-Riesen Wilmar einsteigen, der in Indonesien Land in der Grösse des Kantons Wallis für Palmölplantagen besitzt. Fondsgesellschaften wie Lumix oder Gaia Capital Management investieren von der Schweiz aus in geleastes Farmland; und eine Tochter der Credit Suisse firmiert als Aktionärin der schwedischen Alpcot Agro, die im grossen Stil Land in der ehemaligen Sowjetunion aufkauft.
Die Schweizer Hilfswerke kritisieren diese Entwicklung scharf. Mit ihrer Teilnahme an diesem «Land Grabbing» (Land an sich reissen) würden die Firmen dazu beitragen, in den betroffenen Gebieten Armut und Hunger zu verschärfen, monieren die Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer in der jüngsten Ausgabe ihres Magazins «EinBlick». In ihrem Urteil zerstört diese Politik die kleinbäuerliche Struktur vieler Entwicklungsländer – mit bösen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen: Der Anbau von Monokulturen für den Export verdrängt die einheimische Lebensmittelproduktion, die lokalen Bauern werden schlecht entschädigt oder vertrieben, Wasser und Land zulasten der Biodiversität übernutzt. Die Profite versickerten umgekehrt bei den Investoren oder korrupten Regierungen. «Der Boden muss als Ernährungsgrundlage in der Hand der lokalen Bevölkerung bleiben», sagt auch der grüne Nationalrat Jo Lang. Er fordert darum den Bundesrat auf, sich international für ein Verbot des «Land Grabbing» einzusetzen.
Deza: Chance mit Risiken
Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), die dieses Phänomen seit längerem verfolgt, setzt indes auf einen anderen Weg. Dass sich afrikanische Staaten aktiv und erfolgreich um Kapital und Knowhow bemühen, wertet sie im Grundsatz positiv. Die Deza sieht daher im Boom der Agrar investitionen auch eine Chance, selbst wenn sie sich der Risiken bewusst ist – und diese selber schon erlebt hat. Im Niger versuchten saudische Investoren (bisher ohne Erfolg) auf 40 000 Hektaren Reis in einem Schutzgebiet anzubauen, in dem auch die Deza tätig ist. Und in Ländern wie Äthiopien oder dem Sudan wurde Nahrungsmittelhilfe geleistet, obwohl dort gleichzeitig wertvolles Land an Investoren verpachtet wird. Die Schweiz arbeitet darum auf internationaler Ebene aktiv daran, aus dem verpönten «Land Grabbing» eine Win-win-Situation für alle Beteiligten zu machen. In der FAO unterstützt sie Bestrebungen, die Entwicklungsländer mit Richtlinien über Eigentumsrechte und Ressourcenverteilung zu einem nachhaltigen Umgang mit dem Land zu bewegen. Zudem beteiligt sie sich an der Ausarbeitung von Prinzipien, die sich an die Investoren richten. Sie sollen die lokalen Landrechte respektieren, betroffene Bauern entschädigen und einen Beitrag an die Ernährungssicherheit leisten.
Nicht a priori falsch
Zu solchen Standards bekennt sich auch Addax Bioenergy in Sierra Leone – und entschädigt unter diesem Titel die Landbesitzer mit 12 Dollar pro Jahr und Hektare. Dass auch bei diesem Projekt primär fürs Ausland produziert wird, ist für die Entwicklungsexperten des Bundes nicht a priori falsch. Auch Exportstrategien könnten zur Ernährungs sicherheit beitragen, wenn dabei genug Devisen ins Land kämen und die Bevölkerung an der Wertschöpfung beteiligt sei, argumentieren sie. So sehen es auch viele afrikanische Regierungen. Wie Jacques Diouf beschweren auch sie sich über Neokolonialismus – freilich in ganz anderem Sinne: Der Norden, so heisst es, solle sich davor hüten, Afrika einmal mehr zu sagen, was es zu tun habe. Die Hilfswerke wiederum kontern dies mit Verweis, dass es ja gerade die lokale Bevölkerung sei, die sich vielfach gegen die Investoren zur Wehr setze.
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inkulant - 17. Mai, 17:37 Article 2015x read
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