"Trend zurück in die Stadt"

Bernhard Ott, Bund, 9.7.08

Die Wohnungsnot in der Stadt Bern hat sich im letzten Jahr verschärft. Der Leerwohnungsbestand in der Stadt Bern ist innerhalb eines Jahres von 0,41 auf 0,38 Prozent gesunken. Dies entspricht einer Abnahme um 24 auf 278 Leerwohnungen. Die Stadt rechnet ab Herbst mit einer Besserung der Lage.

Im Wohnungsbau mahlen die Mühlen langsam: "Wir müssen den Wohnungsbau jetzt in Schwung bringen", sagte Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) bei der Schaffung der Fachstelle Wohnen. Sieben Jahre später ist de facto noch nicht viel passiert. Einzig im Jahr 2005 stieg der Leerwohnungsbestand kurzzeitig über die Schwelle von 0,5 Prozent. Seither ist die Leerwohnungsziffer wieder am Sinken. Am Stichtag 1. Juni lag die Ziffer bei 0,38 Prozent und lag damit erneut tiefer als im Vorjahr (0,41 Prozent). Bei Werten unterhalb von 0,5 Prozent spricht man gemeinhin von "Wohnungsnot".

Mangel an Familienwohnungen

Nach wie vor Mangelware sind Wohnungen mit mehr als vier Zimmern, wie sie von Familien benötigt werden. Beim Grossteil der 278 leerstehenden Wohnungen handelt es sich um Dreizimmerwohnungen (103 Einheiten), Zweizimmerwohnungen (76 Einheiten), Vierzimmerwohnungen (46 Einheiten) und Einzimmerwohnungen (44 Einheiten). Fünfzimmerwohnungen waren am Stichtag 1. Juni ganze sechs Einheiten auf dem Markt. Drei Wohnungen hatten sechs und mehr Zimmer.

Am meisten leere Wohnungen gibt es in den Stadtteilen Mattenhof-Weissenbühl (85) und Bümpliz-Oberbottigen (64). Am wenigsten leere Wohnungen gibt es in der Innenstadt (12). Im Gebiet Breitenrain-Lorraine waren 52, in der Länggasse 34 und im Kirchenfeld 31 Wohnungen frei.

"Ganz grosse Nachfrage"
Bei der Stadt wird die wenig erspriessliche Entwicklung mit der seit Kurzem wieder wachsenden Bevölkerungszahl begründet. Innerhalb eines Jahres habe die Bevölkerung um rund 700 Personen von 128200 auf 128910 zugenommen, sagt Christine Gross von der Abteilung Stadtentwicklung. Sie spricht von einem "Trend zurück in die Stadt". Mehr und mehr Leute wüssten die Vorteile von kurzen Arbeitswegen, einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehr und einem breiten Kulturangebot zu schätzen. "Wir haben schlicht noch zu wenig Wohnungen auf den Markt gebracht", sagt Christine Gross. Die grossen Überbauungen wie Brünnen und Weissenstein würden erst im kommenden Herbst bezogen. Ab 2009 würden im Gebiet Schönberg Ost 400 Wohnungen für 1000 Personen gebaut und im nahe gelegenen Baumgarten Ost sei der Bau von 111 Wohnungen momentan noch durch eine Beschwerde blockiert, sagt Gross.

Leichter Anstieg prognostiziert

Laut Gross dürfte der Leerwohnungsbestand wieder leicht ansteigen. Noch keinen Einfluss auf diese Ziffer hat die Anfang April erfolgte Überweisung eines FDP-Vorstosses zur Abschaffung des Gesetzes zur Erhaltung von Wohnraum im Grossen Rat. Das Gesetz hat bis anhin die Umwandlung von Wohnungen in der unteren Altstadt in Büros und Praxen verhindert. "Das hat kurzfristig keine Auswirkungen auf die Stadt", sagt Gross. Bis zur Ausarbeitung einer Vorlage, die wieder vom Kantonsparlament genehmigt werden müsse, könne es noch zwei Jahre dauern. Zudem betreffe die Abschaffung des Gesetzes "nur wenige Wohneinheiten", sagt Gross.


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