EX-Vizedirektor des Bundesamtes für Energie: massive Kritik an Energie-Unternehmen und Politik

Oliver Washington, Rendez-vous (DRS 1), 24.03.2011

Kritik an Energie-Unternehmen

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Nach dem Atomunfall in Japan stellt sich auch in der Schweiz die Frage nach einem Atomausstieg. Entscheidet sich die Politik für diesen Weg sind massive Investitionen in erneuerbare Energien notwendig. Nun äussert der frühere Vizedirektor des Bundesamtes für Energie massive Kritik an Energie-Unternehmen und Politik.


Adrian M. Moser, Der Bund, 25.03.2011

Solaranlage statt Mühleberg II: BKW will Pläne nicht einmal prüfen

Ein Berner Unternehmen will Mühleberg II komplett durch Solaranlagen ersetzen. Trotz der neuen Ausgangslage will die BKW die Pläne nicht einmal prüfen.

Nach dem Erdbeben in Japan und dem GAU im Atomkraftwerk von Fukushima ist in der Schweiz die AKW-Diskussion von neuem entbrannt. Nun zieht sogar die BKW einen Ausstieg aus der Atomenergie in Betracht. Immerhin hat BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche am Mittwoch angekündigt, dass im Verwaltungsrat bereits im April «Szenarien ohne Kernenergie» zur Sprache kommen sollen. Damit stellt sich auch wieder die Frage, welche Alternativen denn überhaupt infrage kommen. Eine davon ist die Solarenergie – und ein ehrgeiziges Projekt des Solarherstellers Megasol Energie AG aus Aarwangen.

Rückblick: Im Januar, mitten im Abstimmungskampf um die Vorlage zum Ersatzkernkraftwerk Mühleberg, machte Megasol der BKW ein Angebot: Bis 2025 sollte ein dezentrales System aus Fotovoltaikanlagen so viel Strom liefern, dass Mühleberg II gar nicht erst gebaut werden muss. Gemäss den Plänen von Megasol würden 16 000 Gebäude mit einem Solardach versehen. Auch den Kritikern, die der Solarenergie die Wirtschaftlichkeit absprechen, hielt das Unternehmen entgegen: Mit 13,6 Milliarden Franken seien die Gesamtkosten für die Solaranlage nicht höher als bei einem AKW-Neubau. Und: Mit knapp elf Rappen pro Kilowattstunde seien auch die Stromgestehungskosten mit denen des geplanten neuen Atommeilers vergleichbar.

Funkstille bei der BKW
Kurt Rohrbach, Chef der Unternehmensleitung der BKW, reagierte skeptisch. Es sei unklar, wie mit unregelmässig anfallender Sonnenenergie ohne Zusatzkosten Bandenergie ersetzt werden soll, sagte er damals gegenüber der «SonntagsZeitung». Mit der Aufforderung, diese Frage zu klären, wandte er sich auch wieder an Megasol. Erst danach werde die BKW die Pläne prüfen. Obwohl Megasol die Antwort nicht schuldig blieb, liess die BKW seither nichts mehr von sich hören.

Ist nun, wo sich die Ausgangslage für den Bau neuer Atomkraftwerke drastisch verschlechtert hat, also der Zeitpunkt gekommen, um die Pläne von Megasol genauer unter die Lupe zu nehmen? «Nein», sagt Sebastian Vogler, stellvertretender Leiter Medienkommunikation bei der BKW. «Wir beurteilen die Megasol-Offerte heute nicht anders als vor den Ereignissen in Japan.» Aus Sicht der BKW sei die Frage der Netzintegration im letzten Schreiben von Megasol «nicht ausreichend» beantwortet worden. «Wir warten noch auf genauere Angaben.» Erst wenn die BKW «umfassende Informationen» habe, werde sie das Anliegen prüfen, sagt Vogler.

Kein Verständnis für diese Argumentation hat Daniel Sägesser, Verkaufsleiter bei der Megasol. «Das Problem mit der unregelmässig anfallenden Energie ist vorgeschoben», sagt er. Die Leistungskurve einer Solaranlage ist der Verbrauchskurve ähnlich. «Das gilt insbesondere für die Spitze am Mittag.» Im Gegensatz dazu produzierten AKW am Tag zu wenig Strom, während sie in der Nacht Überschüsse produzierten, die mit Pumpspeicherkraftwerken gespeichert werden müssen, so Sägesser weiter. «Die Pumpspeicherkraftwerke sind also bereits vorhanden, müssen aber in Zukunft Strom vom Tag in die Nacht speichern, statt von der Nacht in den Tag.»

Es sei ihm bewusst gewesen, dass die BKW aufgrund ihrer konkreten Pläne sehr stark auf ein AKW fixiert sei, sagt Sägesser. «Aber wir haben erwartet, dass die BKW dem Projekt eine faire Chance gibt.» Dies sei bisher nicht geschehen. Die Flinte ins Korn werfen will man bei Megasol deswegen aber noch lange nicht. «Wir sind nicht von der BKW abhängig», stellt Sägesser klar. Der Bau dieser Anlage sei auch mit anderen Investoren möglich. «Mehrere Projekte in diese Richtung befinden sich bereits in Planung», sagt er. So gebe es zum Beispiel Gemeinden, welche ihren «eigenen» Ausstieg aus der Atomenergie anstrebten. «Ausserdem wollen sich viele kleine Elektrizitätsanbieter auf die Strommarktliberalisierung vorbereiten, indem sie ihre Anteile an Atomkraftwerken abstossen und durch Solaranlagen ersetzen.»

«Seitdem der GAU im Kernkraftwerk von Fukushima die AKW-Diskussion in der Schweiz neu angefacht hat, haben wir deutlich mehr Bestellungen für neue Solaranlagen», sagt Sägesser. Im Moment seien es rund doppelt so viele wie in der Zeit vor dem Erdbeben in Japan.


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