Autonome Sommeruni, 16. – 28. August, Luzern

Ulkuturum, Baselstrasse 9, Luzern

Vortrags- und Diskussionsreihe »Warum heute nicht mehr 68 ist« Zeitdiagnosen des Neoliberalismus und linke (Un-)Möglichkeiten der Kritik
  • MO 16.08 Jonas Aebi: »Fit für den Postfordismus? – Das Ende der Sozialdemokratie«
  • MI 18.08 M. De las Casas: »Soziale Kontrolle in der Postmoderne – Eine kritische Betrachtung aktueller Kriminalpolitik«
  • MO 23.08 Sarah Schilliger: »Who cares? Aktuelle Umbrüche in der Care-Ökonomie«
  • MI 25.08 Daniel Mullis: »Die neoliberale Stadt«
  • SA 28.08 Matthias Luterbach: »Was geht, wenn die Novartis von flachen Hierarchien spricht?«, danach Abschlussdiskussion
mehr Infos: link_ikon denknischen.ch



Im Osten beginnt nicht mehr der Kommunismus. Der Sozialstaat verkam zum Schimpfwort der Politik. Der Vorgesetzte wurde zum Teamkollegen. Frauen dürfen wählen und werden Bundesrätinnen. Der Wireless-Internetzugang ersetzte die Stempeluhr. Die schweren Industrien haben sich verschoben. Die Stadt ist Fabrik und Marketing-Zone zugleich. 1984 ist schon lange her und die Videokameras sind installiert. Und der Kapitalismus bleibt auch in einer seiner grössten Krise scheinbar unerschüttert.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die westlichen Gesellschaften einem tief greifenden Wandel unterzogen. Das Ende des Kommunismus, die neoliberale Ideologie, neue Technologien und Produktionsmethoden, die Globalisierung – Prozesse, welche nicht nur dem Kapitalismus ein neues Gesicht gegeben haben, sondern auch zu einer Krise der traditionellen linken Kritik führte. Im Gegenzug haben Wirtschaftsliberale bereits das Ende der Geschichte verkündet und „das Beste aller Systeme“ für ewig erklärt. Die alten Konzepte linker Kritik scheinen entweder verstaubt oder wurden in den Kapitalismus integriert.

Diese Vortrags- und Diskussionsreihe will deshalb einige Aspekte der Veränderungen der letzten Jahrzehnte unter die Lupe nehmen und nach den Möglichkeiten linker Kritik im neoliberalen Zeitalter fragen.
Denn das Ende der Geschichte, my ass!

Programm

Montag, 16.08.2010, 19.30
Fit für den Postfordismus? 
Das Ende der Sozialdemokratie

In den 60er-Jahren schien die Welt in Ordnung: Die Wirtschaft wuchs ins unermessliche. Dank den Gewerkschaften wurden alle Arbeitenden an dem Wohlstand beteiligt und die Anderen durch den Sozialstaat gesichert. Die soziale Marktwirtschaft wurde zum Zauberwort. Dann kam der Crash, das Wachstum fiel und ein neuer Liberalismus erblickte die Welt. Doch der Crash der 70er-Jahre war nicht bloss ein Rückschlag der sozialen Marktwirtschaft, sondern zeigte deren Unmöglichkeit für die Zukunft auf. Denn er leitete einen grundlegenden Wandel der Wirtschaft ein, welche durch sozialdemokratische Politik nicht mehr reguliert werden kann. Diesen wahrzunehmen verweigern sich Gewerkschaften und SP heute noch. Zeit, sie systematisch zu thematisieren.



Mittwoch, 18.08.2010, 19.30

Soziale Kontrolle in der Postmoderne
 - Eine kritische Betrachtung aktueller Kriminalpolitik

Wegweisung, Videoüberwachung, Verbot von Littering und Plakatieren, Einschränkung der Demonstrationsfreiheit… Die Luzerner Politik ist mit ihrer neuen Kultur der sozialen Kontrolle nicht allein: Auf nationaler Ebene wird der Ruf nach längeren und härteren Strafen laut, im Strafrecht findet eine Vorverschiebung und Ausweitung der Strafbarkeit statt und die lebenslange Verwahrung ist inzwischen auch in der Schweiz Realität. Währenddessen wurde und wird Europa u.a. mit den Abkommen und Verordnungen von Schengen/Dublin zur Festung ausgebaut. In einer von Entsolidarisierung und Unsicherheit geprägten Gesellschaft findet durch Ausgrenzung und Kriminalisierung des Nichtkonformen eine neue Vergesellschaftung statt, die Feindbildung nimmt zu. Bei diesem Prozess zeigen immer mehr Staaten auch von höchster Stelle offen ihre Ignoranz gegenüber den in Menschenrechtschartas festgehaltenen Werten der Moderne.
Der Vortrag untersucht die jüngste Entwicklung einer Sicherheitsgesellschaft im Lichte des Bedeutungsverlustes der Menschenrechte.



Montag, 23.08.2010, 19.30
Who cares? Aktuelle Umbrüche in der Care-Ökonomie
Who cares – Wer leistet all die unverzichtliche Arbeit im Privathaushalt?


Noch immer sind es meistens Frauen, die Care-Arbeit leisten – ohne grosse gesellschaftliche Anerkennung. Diese „Selbstverständlichkeit“ löst sich jedoch zunehmend auf, u.a. wegen der stark gestiegenen Erwerbstätigkeit der Frauen.
Um diese „Lücke“ zu schliessen, wird Care-Arbeit zunehmend in Lohnarbeit umgewandelt und auf dem globalisierten Weltmarkt angeworben: Die Polin, die den Opa rund um die Uhr pflegt, die Au-Pair aus Rumänien, die sich um die Kinder kümmert, die papierlose Frau aus Equador, die Wohnungen putzt.
Im Vortrag geht es um aktuelle Umbrüche in der Care-Ökonomie, um die prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse von migrantischen Care-Arbeiterinnen in der Schweiz und um Alternativen der gesellschaftlichen Organisation von Care-Arbeit jenseits von Geschlechterungleichheit und Prekarität.



Mittwoch, 25.08.2010, 19.30
Neoliberale Stadt
Entwicklungen und Folgen einer neoliberalen Stadtpolitik

In den letzten vier Jahrzehnten hat der Neoliberalismus zu einem grundlegenden Wandel in vielen Bereichen geführt. Diesem Wandel konnten sich auch die Städte als Systeme und Lebensräume nicht entziehen. Weltweit traten sie in das Geflecht konkurrierender Unternehmerischer Städte ein und begannen sich als ökonomische Akteure zu positionieren. Privatisierungen von öffentlichen Einrichtungen, Kommodifizierung von Allgemeingut und die massive Aufwertung von ganzen Quartieren mit dem Effekt der Gentrification waren nicht selten die Folge dieser Anpassung. Dadurch wurden Städte selbst zu Motoren der sozialen Segregation und zum Antreiber der neoliberalen Globalisierung.
Im Vortrag soll dieser Prozess anhand aktueller Beispiele veranschaulicht und theoretisch aufgearbeitet werden.



Samstag, 28.08.2010, 13.00
Was geht, wenn die Novartis von flachen Hierarchien spricht?

Flach und Hierarchisch sind offensichtliche Widersprüche. In der Novartis wird im Zusammenhang mit der eigenen Arbeitsorganisation der Ausdruck „flache Hierarchien“ trotzdem oft und gerne verwendet. Auch Begriffe die vor vierzig Jahren noch vor dem Staatsschutz verdächtig machten, wie „Netzwerke“, „die Abschaffung entfremdeter Arbeit“, „Eigenverantwortung“ und „Koordinatoren statt Chefs“ sind heute Teil des Selbstverständnisses der Novartis.
Im Vortrag will ich darlegen, was hinter diesen Begriffen steckt, wenn die Novartis sie verwendet und was im Betrieb passiert, wenn diese in die Arbeitsorganisation integriert werden.

nach dem Vortrag: Abschlussdiskussion


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