Stadt Zürich: JA (71%) zur Initiative «Für bezahlbare Wohn- und Gewerberäume»

Regionaljournal Zürich Schaffhausen (DRS 1), 13.06.2010

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Die Mieten von städtischen Wohnungen sollen nicht an den Markt angepasst werden. Die Volksinitiative «Für bezahlbare Wohn- und Gewerberäume» verschiedener Linksparteien und des Mieterverbands wurde in sämtlichen Wahlkreisen überraschend deutlich angenommen, mit 71% JA- zu 29% NEIN-Stimmen. Mitinitiant Niklaus Scherr ist erfreut, der Finanzvorsteher Martin Vollenwyder spricht von Mehrkosten für die Stadt in Millionenhöhe.


Wohnungsinitiative: Der Streit geht weiter

Beat Metzler, Tages-Anzeiger, 14.06.2010

Trotz klarem Ja für die linke Wohnungsinitiative braucht es gemäss Stadtrat eine zweite Abstimmung. Die Befürworter widersprechen.

Über zwei Drittel der Zürcher Stimmenden waren sich gestern einig: Die Stadt soll ihre Wohnungen auch künftig in Kostenmiete vergeben; also mit den Mieten nicht mehr Geld verdienen, als sie für die Häuser ausgibt. 70,9 Prozent sagten Ja zur Initiative «für bezahlbare Wohnungen und Gewerberäume». Nirgends lag der Ja-Anteil unter 60 Prozent, in den Kreisen 4 und 5 überschritt er die 80-Prozent-Grenze. Das ist ein klarer Sieg für das Initiativkomitee aus SP, Grünen, AL, dem Mieterverband und den Zürcher Genossenschaften.

Diese gaben sich gestern «hocherfreut». Es handle sich um ein deutliches Votum für günstige Mieten und den kommunalen Wohnungsbau. Die Zürcher wollten eine durchmischte Stadt und keine «Verödung» von ganzen Quartieren. «Wir sehen uns im Einsatz für günstigen Wohnraum bestätigt», sagte SP-Co-Präsidentin Beatrice Reimann.

Die bürgerlichen Gegner ärgerten sich dagegen über den «irreführenden Titel» der Initiative. «Wer ist schon nicht gegen bezahlbare Wohnungen?», fragte Finanzvorstand Martin Vollenwyder (FDP) rhetorisch. Die komplexe Vorlage sei falsch verstanden worden. Viele Wähler hätten geglaubt, bei einem Ja sänken die Mieten in der ganzen Stadt, sagte Mauro Tuena, Präsident der SVP-Gemeinderatsfraktion. «Jetzt müssen die hohen Beamten und Nationalräte die städtischen Wohnungen räumen für Menschen, die sie wirklich brauchen.»

Komplex war die Vorlage tatsächlich. Sie richtet sich gegen eine Verordnung des Regierungsrates, die der Stadt vorschreibt, ihre 2635 Fiskalliegenschaften höher als bisher einzuschätzen. Woraus regelmässige Mieterhöhungen resultiert hätten. Diese werden nun durch das Ja zur Initiative verhindert.

Komplex gestaltet sich auch die Umsetzung der Vorlage. Der Stadtrat wird bald die geforderte Änderung der Gemeindeordnung vornehmen und dem Regierungsrat zur Genehmigung vorlegen. Bei einem Nein des Regierungsrats käme es gemäss AL-Gemeinderat Niklaus Scherr zu einem Rechtsstreit darüber, wie weit die Gemeindeautonomie reicht. Weder Vollenwyder noch Scherr gehen aber von einer Weigerung aus: «Die 71 Prozent Ja-Stimmen senden ein deutliches Signal», sagt Scherr. Unklar ist auch, wie es nach einem Ja der Kantonsregierung weitergeht. Es brauche eine zweite Abstimmung, sagte Martin Vollenwyder. Denn der Stadtrat werde darauf die Liegenschaften vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen verschieben, was das Volk genehmigen müsse. Zwar habe der Regierungsrat die 6361 Wohnungen in städtischen Siedlungen mit einer Verfügung vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen überschrieben. Dies sei nur möglich gewesen, weil das Volk all diesen Siedlungen bereits an der Urne zugestimmt hatte.

Bei den Fiskalliegenschaften, welche die Stadt oft aus anderen Gründen kaufte, fehle diese demokratische Legitimation. Dem widerspricht Niklaus Scherr. Das klare Ja und die Formulierung der Initiative lieferten genau diese Legitimation. Einen zweiten Urnengang hält Scherr deshalb für überflüssig. Der Regierungsrat solle die Überschreibung verfügen.

Für die betroffenen Mieter wird sich in nächster Zeit nichts ändern, unabhängig davon, wie der Regierungsrat entscheidet. Die Initiative hat keine rückwirkenden Konsequenzen. Die erste Aufwertungsrunde aus dem Jahr 2007, wegen der die Preise bei Wohnungswechseln um durchschnittlich 8 Prozent ansteigen, bleibt unangetastet. Und die nächste Aufwertungsrunde stünde erst im Jahr 2016 an. Bis dann hätte sicher auch die mögliche zweite Volksabstimmung stattgefunden.


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