Warum besetzen wir unsere Aula in Bern?

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Wir fordern freie Bildung für alle
Knapp 80% der Studieren arbeiten neben ihrem Studium (Bundesamt für Statistik, 2005). Die meisten davon sind auf diese Erwerbsarbeit angewiesen, um ihre Lebens- und Studienkosten zu decken. Die Studierenden brauchen somit viel Zeit um Geld zu verdienen – Zeit, die damit für das Studium fehlt. Eine Folge davon ist, dass Studiengänge, die besonders stark strukturiert sind, fast nur denjenigen offen stehen, die von Hause aus über genügend Geld verfügen. So zum Beispiel Medizin, wo es nachweislich weniger erwerbstätige Studierende hat.
Lösungsansätze, um dieser Diskriminierung sozial benachteiligter Bevölkerungsschichten entgegen zu wirken, sind hinlänglich bekannt: Teilzeitstudienpläne, die Verminderung der Pflichtveranstaltungen mit Präsenzkontrolle oder existenzsichernde Stipendien.
Die gegenwärtigen Entwicklungen gehen aber genau in die gegenteilige Richtung. Die Ausarbeitung von Teilzeitstudienplänen für erwerbstätige Studierende ist bisher vorwiegend ein leeres Versprechen. Vielmehr hat die Bolognareform die Selbstgestaltungmöglichkeiten für die Planung des Studiums massiv eingeschränkt. Eine Fülle von obligatorischen Veranstaltungen mit Präsenzkontrollen machen es ganz einfach unmöglich, neben dem Studium für seine Lebenskosten aufzukommen. Abhilfe könnte hier eine breite und gerechte Stipendienvergabe schaffen. Seit 1994 ist der Gesamtbetrag der kantonalen Stipendien aber real um 25% gesunken – trotzt ständig steigender Studierendenzahlen (Bundesamt für Statistik, 2008). Überdies ist die Vergabe von Stipendien kantonal geregelt. Dies wirkt diskriminierend: Im Kanton Zürich erhält eine StipendiantIn im Durchschnitt 3800 Franken pro Semester, im Kanton Neuenburg sind es knapp 1200 Franken.
Der Entwurf zum teilrevidierten Universitätsgesetz verschärft die Tendenzen zur sozialen Selektion noch weiter. Es liefert die Grundlage für doppelt so hohe Prüfungsgebühren und ermöglicht die Einführung des Numerus Clausus für alle Studiengänge!

Aufgrund dieser Missstände fordern wir:
  • Teilzeitstudienpläne, die das Arbeiten neben dem Studium ermöglichen
  • Den Ausbau und die gesamtschweizerische Harmonisierung des Stipendienwesens zur Deckung der Lebenskosten
  • Ein Ende der Pflichtveranstaltungen mit Präsenzkontrolle.
  • Keine Zulassungsbeschränkungen (Numerus Clausus), weder offen, noch versteckt!

Wir fordern eine demokratische Universität
Die Bildungsminister Europas haben in ihren Absichtserklärungen die Studierenden als ‘full partners’ bei der Gestaltung der Hochschullandschaft anerkannt. Leider ist von dieser Partnerschaft in der Schweiz in verschiedener Hinsicht nicht viel zu spüren, An der Universität Zürich, wie auch an vielen Fachhochschulen gibt es keine anerkannte Studierendenvertretung. Und auch auf nationaler Ebene fehlt die gesetzliche Anerkennung des Verband Schweizerischer Studierender (VSS) als vollwertiger Partner.
Und wo die Partnerschaft der Studierenden institutionell anerkannt wird, heisst das noch lange nicht, dass sie auch so behandelt werden. So wurde in Bern die Zusammenlegung der Soziologie und Politikwissenschaft auf undurchsichtige Weise entschieden und kommuniziert – wodurch auch die SUB hintergangen wurde.
Statt einer Stärkung der studentischen Mitsprache will die geplante Teilrevision des Universitätsgesetzes die internen Demokratie unterwandern. Der Senat wird de facto als oberste Instanz entmachtet, während das Rektorat gestärkt wird. Im Sinne der Prinzipien des New Public Management wird ein Gremium, in welchem Studierende, Mittelbau und Dozenten eine wichtige Rolle spielen (Senat), gegenüber einer kleinen Gruppe (Rektorat) zurückgebunden, das die Universität wie eine Firma leiten soll.

Deshalb fordern wir:
  • Die paritätische Mitbestimmung von ALLEN auf ALLEN Ebenen (Studierende, aber auch Mittelbau/ Sekretariate/ Putzpersonal etc.)
  • Die Beibehaltung des Senat als das oberste Organ der Universität.
  • Den freien Informationsfluss (Keine Geheimhaltungspflicht von VertreterInnen gegenüber den von ihnen Vertretenen)
  • Transparenz bei der Geldverteilung an Fakultäten und Institute.
  • Öffentliche Stellenausschreibung und Transparenz bei der Stellenbesetzung auf allen Stufen
Wir kämpfen gegen die Ökonomisierung der Uni
Die Hochschulen stehen laut der Verfassung des Kantons Bern (Art. 44) im Dienst der Allgemeinheit, indem sie die wissenschaftliche Erkenntnis durch Lehre und Forschung fördern. Die Ökonomisierung der Universitäten zielt genau auf das Gegenteil dieses Verfassungsauftrages: Die Universität wird zur Firma, die Studierenden zu Bildungskonsumenten.
Auf Ebene der Universitäten entwickelt sich daraus ein harter Konkurrenzkampf um Studierende und private Mittel. In diesem Kontext messen Rankierungen die Universitäten nach oberflächlichen und oft intransparenten Kriterien um sie miteinander ‘vergleichbar’ zu machen. Die Unileitung nimmt dementsprechend immer stärker die Rolle einer Firmenleitung ein. In der geplanten Teilrevision des Universitätsgesetzes wird das Rektorat genau in diesem Sinne massiv gestärkt und über den Senat erhoben. Ebenso sollen in Bern ein Beirat geschaffen werden, welcher die Einflussnahme der Wirtschaft in universitätspolitischen Entscheidungen sicherstellen soll. Dies liegt in der Logik der GATTS- und Lissabonner Verträge, welche sicherstellen, dass Bildung nachhaltig zu einem handelbaren Gut verkommt: Rentabilitätsdenken und nicht die Erhaltung der Diversität und die Qualität der Lehre stehen im Vordergrund. Wen wundert es, das an einer solchen Institution der Putzdienst kürzlich ausgelagert wurde, um auf dem Rücken dieser prekären Arbeitnehmer Geld zu sparen?
Die Studierenden als Bildungskonsumenten werden dazu angehalten ausschliesslich Wissen zu erwerben welches auf dem Arbeitsmarkt verwertbar und mehrheitsfähig ist. Selbst Freizeitaktivitäten unterstehen zunehmend dem Druck, für Karrierezwecke verwertbar zu sein. Die Studierenden sollen sich möglichst rasch auf den Arbeitsmarkt anbieten und andere Lohnabhängige konkurrieren. Selbstverständlich ist es in diesem Kontext für die Universitäten nicht attraktiv, ein breites Spektrum an Studieninhalten aufrecht zu erhalten.

Darum verlangen wir:
  • Kein Unibeirat!
  • Keine Studienzeitbeschränkungen!
  • Erhaltung und Ausbau der Diversität von Lehre und Forschung
  • Fairness bei der Geldverteilung an Fakultäten und Institute
  • Mehr öffentliche Mittel für die Bildung
  • Keine Fokussierung auf marktgerechte Ausbildung
  • Keine Ausrichtung auf Exzellenz statt Qualität
  • Reintegration der „geoutsourceten“ Teile der Uni (Putzpersonal, Mensen etc.)

Wir kämpfen gegen die Verschulung des Hochschulwesens

Das Studieren an Universitäten und anderen Hochschulen hat sich mit der Bologna-Reform grundlegend verändert:Nicht der Lernprozess und die Kompetenz des kritischen Denkens, sondern einzig der Output steht im Mittelpunkt des neuen „Lehrplans“. Bildung wird mit ECTS gleichgesetzt.
Die Bologna-Reform hat sich das ’student-centered learning’ auf die Fahnen geschrieben. Der heutige Alltag der Studierenden gleicht aber immer mehr einer Jagd nach ECTS-Punkten und die rigide Formulierung der Studienpläne und Module schränkt die Wahlmöglichkeiten innerhalb des Curriculums bisweilen massiv ein. Besonders selbstständige Arbeitstechniken, vertiefte thematische Auseinandersetzung mit eigener Fragestellung und selbstständige Studiengestaltung werden immer stärker ins Masterstudium und sogar ins Doktorat verdrängt. Diese Entwicklung wird auch von den Dozierenden beklagt: „Die Universität unterscheidet sich wenig mehr vom Gymnasium: Sie setzt auf Termine und Kontrollen, kurz: auf äussere Disziplinierung“ (Prof. Schmid, NZZ am 20.11.2009).
Auch die Erleichterungen der Mobilität, mit welcher die Bolognareform an die Studierenden gebracht wurde, stellt sich als leeres Versprechen heraus. Die Studierenden sehen sich neuen bürokratischen Hürden konfrontiert, weil im ökonomiserten Bildungsraum nicht im Interesse der Universitäten oder Institute liegt, Studierende an die „Konkurrenz“ zu verlieren.

Darum setzen wir uns ein für:
  • Klar kommunizierte Bewertungskriterien (Transparenz der Anforderungen, Bewertungen und detaillierte Rückmeldungen)
  • Mehr Mobilität zwischen Fakultäten und Universitäten in der Schweiz und weltweit.
  • Freie Fächerkombination (Keine Pflicht-Monofächer und Pflicht-Nebenfächer)
  • Die Abschaffung der Präsenzpflicht
Die durch die Besetzung der Aula geschaffene Plattform soll dazu dienen, die festgelegten Forderungen weiter zu diskutieren zu konkretisieren und umzusetzen. Wir laden alle Beteiligten ein, an der Diskussion über die Umsetzung dieser Punkte teilzunehmen.

SOLIDARITÄT MIT ALLEN STUDIERENDENPROTESTEN


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