Bollwerk Aufwerten - Kritik am Gemeinderat

Die Stadt soll mit der Aufwertung des Bollwerks vorwärts machen, so die Forderung des Stadtrates und nicht mehr länger zuwarten. Das Bollwerk sei ein Unort, so der Tenor. Schon vor einigen Tagen war bekannt geworden, dass die Stadt am Bollwerk auf Einkaufstour gehen will um «Handlungsoptionen im Bereich des Bollwerks» zu erhalten. Auch wenn das Verhalten des Gemeinderates bis anhin zögerlich ist, wird es wohl in naher Zukunft - aller spätestens bei der unterirdischen Bahnhofserweiterung - zu einer umfassenden städtebaulichen Eingriff in der Region Bollwerk/Schützenmatte kommen. Wohl wird dies dann auch die Diskussionen um die Reitschule neu entfachen...

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Bernhard Ott, Der Bund, 08.05.2009

link_ikon Bollwerk: Stadt kauft Häuser

«Schütz»: GB lässt nicht locker

«Die Regierung will das heisse Eisen einer Neugestaltung der Schützenmatte nicht an die Hand nehmen», sagt GB-Fraktionschefin Stéphanie Penher. Eine Mehrheit des Stadtrats stellt sich hinter die Forderung nach einem Planungskredit.

Parkplatz, Drogenszene, Reitschule, Verkehr: Im Raum Bollwerk prallen urbane Phänomene aufeinander. «Gewalt in den verschiedensten Erscheinungsformen prägt das Ambiente», war jüngst in einer Studie zu lesen, die von der Stadt in Auftrag gegeben worden war. Die Autoren forderten die Ausarbeitung einer Gesamtplanung, um den Perimeter zwischen Waisenhausplatz und Reitschule aufzuwerten («Bund» vom 27. April).

Der Gemeinderat wies in seiner Antwort auf einen Vorstoss des Grünen Bündnisses (GB) jedoch darauf hin, dass er «konzeptuelle Überlegungen» erst dann anstellen wolle, wenn die Folgen des Bahnhofausbaus und des autofreien Bahnhofplatzes geklärt seien.

«Planung muss jetzt beginnen»

Das GB will sich aber nicht vertrösten lassen. «Die Situation auf der Schützenmatte muss rasch verbessert werden», heisst es in einer gestern eingereichten Motion. Darin wird der Gemeinderat beauftragt, einen Planungskredit für die Neugestaltung der Schützenmatte auf der Basis der erwähnten Studie vorzulegen. Eine Motion von Beat Zobrist (sp) mit derselben Forderung ist seit letztem Januar hängig. «Der Gemeinderat soll das heisse Eisen endlich an die Hand nehmen», sagt Motionärin Stéphanie Penher. Die Stadt dürfe es nicht bei dringlichen Belagssanierungen und der Verschiebung von Parkplätzen bewenden lassen, sagt die Politikerin unter Bezugnahme auf die gemeinderätliche Antwort auf den GB-Vorstoss. Wenn die Stadt erst den Ausbau des SBB-Tiefbahnhofs in zwanzig Jahren abwarten wolle, so sei es für eine Neuplanung zu spät, da die Verwahrlosung des Perimeters fortschreite. «Es gibt keinen Grund, nicht heute mit der Planung anzufangen», sagt Penher.

Bis ins Jahr 2100 warten?
Auch SP-Motionär Zobrist bedauert, dass der Gemeinderat lieber mit dem «Flickwerk» fortfahre, als «die grosse Kelle an die Hand zu nehmen». Die Verschiebung von Parkplätzen und die Installation von Toilettencontainern trügen nur wenig zur Aufwertung der Schützenmatte bei. Der Gemeinderat lasse sich durch Rahmenbedingungen hemmen. «Wenn man immer auf alles warten will, kann man bis ins Jahr 2100 warten», sagt Zobrist. Es sei für jedermann ersichtlich, dass der Raum Bollwerk heute ein Unort sei, der nachgerade zu Verbrechen einlade. Die Angst des Gemeinderates vor grossen planerischen Würfen sei unberechtigt. «Im Stadtrat gibt es genug Rückhalt für eine Neugestaltung», sagt Zobrist.

Parallelen zur Progr-Debatte

Zobrists Aussage gilt auch für die bürgerlichen Parteien BDP und FDP. «Die Schützenmatte ist ein Schandfleck. Da kann man nicht zwanzig Jahre warten», sagt Kurt Hirsbrunner, Kopräsident der Fraktion BDP/CVP. Hirsbrunner weist darauf hin, dass zwischen der Neugestaltung des Raums Bollwerk und einem allfällig autofreien Bahnhofplatz ein Zusammenhang bestehe. «Die Neugestaltung der Schützenmatte ist die logische Folge aus einem autofreien Bahnhofplatz.» Auch die Freisinnigen befürworten eine Neuplanung des Raums Schützenmatte, bei der alle Interessen, «auch die des Gewerbes», berücksichtigt werden, wie Fraktionschef Philippe Müller erklärt. «Der Gemeinderat geht der Diskussion aus dem Weg und überlässt die Entscheidfindung dem Stadtparlament», sagt Müller. Er sehe Parallelen zum Verhalten des Gemeinderates in der Progr-Debatte. «Es gehört aber zur Politik, auch Position zu beziehen», sagt Müller.

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bern.ch 30.4.09

Schützenmatte "Planungsprozess Boulevard"


Der Raum Schützenmatte - Bollwerk, an der Nahtstelle zwischen Altstadt, Bahnhofareal und Länggassquartier, ist ein bedeutender Ort im Stadtgefüge Berns. Gleichzeitig entspricht die heutige Gestaltung dieses Raums nicht den städtebaulichen Ansprüchen, welche an ein citynahes Gebiet gestellt werden.

Der Gemeinderat hat um einen langfristigen Ausblick zu gewinnen das Gebiet um Schützenmatte - Bollwerk einer grundsätzlichen Untersuchung unterzogen. Das Resultat der Arbeit liegt als Grundlage "Planungsprozess Boulevard - Analyse, Thesen" vor.

Die Arbeitsgemeinschaft "Boulevard" wurde beauftragt, den Perimeter ganzheitlich zu analysieren und ein möglichst differenziertes Bild davon zu zeichnen, welche Faktoren in diesem städtischen Raum eine zentrale, eine fördernde oder auch hemmende Rolle spielen. Dabei wurden sowohl der (Planungs-) Geschichte, wie auch der heutigen Nutzung, dem Städtebau, sozialen Aspekten und den Besonderheiten des Raums besondere Beachtung geschenkt. Der untersuchte Perimeter wurde bewusst gross gefasst und um was westlich des Eisenbahnviadukts gelegene, sich in SBB-Eigentum befindende Eilgutareal sowie um das Gebiet der nördlichen Oberen Altstadt erweitert. Die als Thesen formulierte Zwischenbilanz der Untersuchungen zeigt, dass es sich hier um einen wichtigen, eigenständigen Stadtraum mit Aufwertungspotenzial handelt. Die am stärksten den Ort bestimmenden Faktoren sind die vielfältige Nutzung und die Dynamik des ganzen Raums. Die erstellte Grundlage bildet eine fundierte Basis für weitere Arbeitsschritte. Diese sollten beinhalten: Entwicklung eines Leitbilds, Erarbeitung von Lösungs- und Risikoszenarien, Fällen eines politischen Entscheids und Führung öffentlicher Diskussion sowie schliesslich Organisation, Durchführung und Umsetzung der Wettbewerbsverfahren.

Für den Gemeinderat sind die oben aufgelisteten Arbeitsschritte ein Teil der langfristigen Strategie. Sie sollen erst unternommen werden, wenn die aus der Initiative "Für einen autofreien Bahnhofplatz" sowie die aus der Planung Zukunft Bahnhof Bern für den untersuchten Perimeter resultierenden Rahmenbedingungen definiert sind. Momentan steht für den Gemeinderat die mittelfristige Strategie im Vordergrund. Diese sieht vor, dass die im Gebiet anstehenden Tiefbausanierungsprojekte, welche voraussichtlich im Jahr 2012 durchgeführt werden, die Gelegenheit bieten, die Schützenmatte und das Bollwerk umzugestalten und aufzuwerten. Gleichzeitig haben die stadtinternen Abklärungen ergeben, dass mittelfristig die Existenz einer sogenannten "grauen Allmend" auf der Schützenmatte ihre Berechtigung hat. Aus diesem Grund werden die heutigen Funktionen der Schützenmatte als öffentlicher Parkplatz für PKW und Cars sowie Chilbiplatz und undgebungsort beibehalten. Für die Schützenmatte wurde bereits ein Entwurf des Betriebs- und Gestaltungskonzepts erarbeitet. Die Hauptmassnahmen dieses Konzepts sind:
  • Verbesserung der Verkehrssicherheit, Durchlässigkeit und Übersichtlichkeit sowie der Zugänglichkeit zur Reitschule für Fussgängerinnen und Fussgänger durch die Neuanordnung der Parkplätze für PKW (Verzicht auf 10 öffentliche Parkplätze nötig) und Cars.
  • Verbesserung der Infrastruktur für die Car-Reisenden durch die Erstellung eines Dachunterstands mit integrierter WC-Anlage, Telefonkabine und Getränkeautomat.
Im Verlauf des nächsten Jahres kann mit einem Entscheid über den möglichen Ausbau des P+R Neufeld gerechnet werden. Bei einer Erweiterung des P+R Neufeld schliesst der Gemeinderat die Aufhebung der Parkplätze als Kompensation nicht aus. Ebenso kann die Abstimmung über die Initiative "Für einen autofreien Bahnhofplatz" neue Rahmenbedingungen für die Schützenmatte schaffen. Eine weitere Planungsunsicherheit ergibt sich aus der kürzlich eingereichten Initiative "Schliessung und Verkauf der Reitschule". Aus diesen Gründen muss das Betriebs- und Gestaltungskonzept Schützenmatte noch auf seine Gültigkeit hin überprüft werden.


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