Buch' Bilal. Als Illegaler auf dem Weg nach Europa

Gatti, Fabrizio (2010): Bilal. Als Illegaler auf dem Weg nach Europa, Aus dem Italienischen von Rita Seuß, München, Kunstamnn.

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Kurzbeschrieb des Verlages

Bilal ist ein Illegaler, unterwegs auf einer der berüchtigtsten Transitrouten von Afrika nach Europa. Bilal ist Fabrizio Gatti, der renommierte Journalist und »italienische Wallraff«, der sich unter diesem Namen als Migrant unter die anderen gemischt hat, um zu erleben, was sie erleben, und davon zu erzählen. Von Dakar zieht er mit dem Flüchtlingsstrom bis in die Sahara; auf klapprigen Lastwagen durchqueren sie die Wüste, unter unvorstellbaren Entbehrungen. Immer wieder werden sie überfallen. Schlepper und korrupte Polizisten wechseln sich darin ab, den Flüchtlingen ihre letzte Habe zu nehmen: Der moderne Menschenhandel ist ein brutales, hochprofitables Geschäft. Die es schaffen, die mit letzten Mitteln die Grenzen überqueren erwarten Auffanglager, die Menschenkäfigen ähneln. Doch auch wenn sie abgeschoben werden, sie werden wiederkommen, solange sich das Elend in ihrer Heimat nicht ändert. Denn die moderne Odyssee der neuen Arbeitssklaven hat gerade erst begonnen. Fabrizio Gatti ist, als Augenzeuge und Schriftsteller, ihr Chronist geworden.






Pressestimmen

Dieses Leseerlebnis ist so massiv, so jäh. Es erwischt einen wie ein Faustschlag in Zeitlupe, und wenn man, nach all dem Wüstensand, der Hitze, den Lagerbeschreibungen und dem eiskalten Meer, zufällig Nachrichten sieht, könnte man dort schreiben vor Wut, wenn es dort neutral heißt, 74 Illegale seien von Rom aus nach Libyen abgeschoben worden.
Süddeutsche Zeitung


Bilal ist für Gatti zur modernen Symbolfigur geworden für die moderne Odyssee von Abertausenden, die auf der Suche nach einem besseren Leben bereit sind, alles zu riskieren. Sein beeindruckender Bericht gibt jeglichen Debatten über illegale Einwanderung ihre menschliche Dimension zurück und stellt sie in den größeren Zusammenhang politischer Verantwortung.
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung


„Bilal“ gibt den namenlosen Leichen und Gestrandeten- über die in Zeitungsmeldungen aus Lampedusa oder den Kanaren berichtet wird, ein Gesicht. Sie werden als Menschen kenntlich, die Hunger, Erniedrigungen, den Verlust von Familie und Heimat auf sich nehmen, nur um ein wenig an den Privilegien teilzuhaben, die wir als unsere selbstverständlichen Rechte erachten.
Neue Zürcher Zeitung



Leseprobe

Fabrizio Gatti, Le Monde diplomatique Nr. 9089 vom 15.1.2010, Seite 12-13.

Durch die Ténéré
Als Illegaler auf dem Weg von Afrika nach Europa

Es ist kurz vor Tagesanbruch. Ich muss gehen. Man versammelt sich im Autogare. "Start um acht Uhr", heißt es vor dem Fahrkartenschalter. Viele Menschen laufen hin und her, erfrischt von der morgendlichen Kühle. Der große Lkw steht mitten auf dem Platz bereit. Die ganze Nacht hindurch ist er beladen worden und sieht jetzt, aufgebläht von den vielen daran baumelnden Wasserkanistern, wie eine riesige Traube aus.

"Wo ist der Italiener?", fragt jemand an der Fahrkartenausgabe, und der Mann, der mit dem Sohn des Besitzers zusammenarbeitet, kommt heraus. "Wie viele Kanister Wasser hast du?" "Einen Zwanzig-Liter-Behälter." "Du sitzt vorne auf der Fahrerkabine. Da musst du den Kanister festmachen." Erst in diesem Augenblick nimmt der Mann den blauen Boubou wahr, den mir Yaya geschenkt hat, und lächelt. Das lange Gewand wird mich nicht nur gegen die Hitze schützen. Weil es so weit ist, kann ich darunter meine Gürteltasche verstecken, in der ich den Fotoapparat, die Batterien, mein Notizheft und einige Ersatzkugelschreiber untergebracht habe. "Du musst deinen Namen auf den Kanister schreiben", rät der Angestellte, "hast du das schon erledigt?" Ein großes Dröhnen und eine schwarze Wolke über dem Laster verkünden, dass der Motor angelassen ist. "Ich habe Dirkou geschrieben, wie die Oase. Mein Name wäre zu auffallend." "Gut, Gott beschütze dich", sagt der Mann und reicht mir die Hand.

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Interview mit Fabrizio Gatti

Die Zeit, Interview von Stefano Vastano, 12.3.2010

»Helden unserer Zeit«

Illegalen Einwanderern drohen in Europa Gefängnisstrafen. Wer sie hingegen ausbeutet, hat nichts zu befürchten. Ein Gespräch

Die ZEIT: Ihr Buch ist voller persönlicher Gespräche, die Sie während Ihrer Reise durch Afrika mit jungen Leuten, Polizisten oder Fahrern geführt haben. Wie konnten Sie sich diese Fülle unterschiedlicher Erzählungen merken?

Fabrizio Gatti: Obwohl seit der in Bilal geschilderten Reise mehrere Jahre vergangen sind, haben sich zahlreiche Gespräche, die Gesichter der Menschen, mit denen ich durch die Wüste gefahren bin, und die Erlebnisse mit den illegalen Einwanderern in den italienischen »Auffanglagern« unauslöschlich in mein Bewusstsein eingebrannt. Die Bemerkung der moldawischen Prostituierten in Treviso etwa: Italienische Männer seien nichts anderes als »Körper mit heruntergelassenen Hosen und Portemonnaie in der Hand« – wie soll man so einen Satz vergessen? Unsere italienische und europäische Wirklichkeit mit den Augen und Worten der Illegalen zu sehen ist vielleicht das eindrücklichste Bild, was wir uns derzeit von uns selbst machen können.

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