Lorraine (Bern): Polizei muss das besetzte Gelände räumen

Bernhard Ott, Der Bund, 10.03.2010

Bis die geplante Wohnüberbauung baureif ist, soll der besetzte Platz am Centralweg durch einen Spielplatz belebt werden.

Die Geschichte der ehemaligen Garage Alcadis am Centralweg ist eine blamable Geschichte für die Stadt Bern. Vorläufige Profiteure sind zurzeit die sogenannten Stadttauben, die letzten Samstagnachmittag den Abgrenzungszaun aufgebrochen haben, um die seit Mai 2009 leer stehende Brache mit einer Handvoll Wohnwagen in Besitz zu nehmen. Ein derart langer Leerstand eines Geländes in einem urbanen Quartier wie der Lorraine ist ein Risiko. So gesehen ist es erstaunlich, dass das Gelände nicht schon früher besetzt worden ist. Dabei hätte es durchaus Pläne und Ideen für eine Zwischennutzung gegeben. Die städtische Liegenschaftsverwaltung war jedoch nicht bereit, auf diese einzutreten.

Angst vor einem zweiten Paradisli
So hat der Lorraine-Breitenrain-Leist vor dem Abbruch der Liegenschaft verlangt, dass eine Besetzung verhindert werden soll. Die Stadt hätte den Vertrag mit der Garage Alcadis bis zum Vorliegen eines baureifen Projektes verlängern sollen, sagte Vizepräsident Edwin Stämpfli gegenüber der «Berner Zeitung». Der eher alternativ angehauchte Verein Läbigi Lorraine (VLL) wiederum hat einen Teilabriss befürwortet, um in den einstigen Lagerräumlichkeiten der Garage einen Quartiertreff einzurichten. Der VLL erhob gegen den Abbruch gar Einsprache, zog diese aber wieder zurück. Laut VLL-Mitglied Catherine Weber wurde die Einsprache fallen gelassen, weil die Stadt zunächst von einem frühen Baubeginn im Herbst 2010 ausgegangen ist und eine Zwischennutzung angesichts von Altlasten im Boden für bedenklich hielt. Für das einstige Stadtratsmitglied ist jedoch klar: «Die Liegenschaftsverwaltung wollte ein zweites Paradisli verhindern.» Die Angst vor einer Zwischennutzung mit anschliessendem jahrelangem Rechtsstreit stecke der Verwaltung noch tief in den Knochen, sagt Weber.

Mit Weiden gegen eine Besetzung
Die Liegenschaftsverwaltung ist von der Besetzung am letzten Samstag auf dem falschen Fuss erwischt worden. Laut Weber war offenbar geplant, den Platz im Abstand von zwei Metern mit Weiden zu bepflanzen. Weber weiss dies aus erster Quelle, weil sie am 5. Juni einen Flohmarkt auf dem Gelände veranstalten wollte. Die Stadt beschied der Veranstalterin jedoch, dass das Gelände mit den besagten Weiden bepflanzt werden soll und dass sie ihr Gesuch für die Fläche des Centralwegs stellen soll.

Die Weiden dürften nun aber doch nicht zum Zug kommen. Gemeinderätin Barbara Hayoz (fdp) will die Besetzung nicht dulden und Nägel mit Köpfen machen. Die Stadt habe Anzeige erstattet und bei der Polizei die Räumung des Geländes beantragt. «Ein Ultimatum haben wir nicht gesetzt. Das ist nun Sache der Polizei», sagt Hayoz. Berns oberste Liegenschaftsverwalterin bekräftigt nochmals, dass die Einrichtung eines Quartiertreffs in der Garage wegen der Altlasten «gesundheitsschädigend» gewesen wäre. Der Baubeginn für die Überbauung verzögere sich, weil das Wettbewerbsverfahren geändert worden sei. Der stadteigene Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik befürworte nun einen offenen Wettbewerb, der länger dauere. Die Jury sei mittlerweile bestimmt. «Bis zum Baubeginn dürfte es noch bis zu anderthalb Jahre dauern», sagt Hayoz. Die Stadt plant einen Neubau mit 15 Wohnungen.

Thomas Fuchs droht mit Petition
Die Gemeinderätin hat Liegenschaftsverwalter Fernand Raval den Auftrag gegeben, gemeinsam mit der Quartierkommission Dialog Nordquartier und dem Leist eine Zwischennutzung zu prüfen. «Es geht nicht um grosse Investitionen. Sinnvoll wäre etwa ein Spielplatz oder eine Brätlistelle», sagt Hayoz. Bis anhin ist die Liegenschaftsverwaltung beim Dialog Nordquartier aber noch nicht vorstellig geworden, sagt Dialog-Sekretär Max Singer.

Die Polizei will sich zum weiteren Vorgehen und zu einem allfälligen neuen Ultimatum nicht äussern. Derweil kochen die politischen Süppchen rund um die Besetzung hoch. Die Stadttauben selber weisen in einer Mitteilung darauf hin, dass sie Unterstützung von «zahlreichen Nachbarn» erfahren hätten. Dabei handelt es sich offensichtlich um andere Personen als die «geschädigten Nachbarn», von denen in einer Mitteilung des Lorraine-Leists die Rede ist. Diese wollen offenbar ihre «Rechtsansprüche» durchsetzen, falls auf dem Gelände keine rechtmässigen Verhältnisse hergestellt würden, schreibt der Leist.

Die Vereinigung Bern Aktiv von Grossrat Thomas Fuchs (svp) wiederum bezeichnet die Stadttauben als «Plage». Sie will mit einer Petition im Lorraine-Quartier für Druck aus der Bevölkerung sorgen, falls das Gelände nicht sofort geräumt werde. «Man darf gespannt sein, ob bei nächtlichen Ruhestörungen bald auch Berns Stadtpräsident mitgrölen wird», teilt Bern Aktiv mit.

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