Aufwertung am Aarehang in Bern - günstiger vs. nobler Wohnraum

Christoph Aebischer, Berner Zeitung, 3.3.10

Häuser weichen noblen Wohnungen
An der Engehaldestrasse an der Aare werden derzeit acht Häuser abgerissen. Es entstehen 34 neue Eigentumswohnungen. Der Verkauf der Stadtliegenschaften mit 32 günstigen Wohnungen gab im Parlament 2007 zu reden.
Die acht Mehrfamilienhäuser aus dem Jahr 1918 am Hang oberhalb der Aare in der Nähe des Felsenau-Stauwehrs sind bereits ausgehöhlt. Nun nagt der Baggerzahn am ersten Haus. Mit einer Woche pro Haus rechnet die beauftragte Abrissfirma. Die Eigentümerin der Liegenschaften, die Berner Immobilienfirma Bevisa AG will bereits im Sommer mit dem Neubau beginnen. Verwaltungsratspräsident Jürg Aeberhard geht von einem Investitionsvolumen von 30 Millionen Franken aus und ergänzt: "Die Firma HRS aus Frauenfeld baut 10 Häuser mit 34 Eigentumswohnungen." Die 3,5- bis 5,5-Zimmerwohnungen würden in moderner Architektur und mit hohem Standard realisiert. "Es sind derzeit die einzigen Neubauten mit Aareanstoss", wirbt Aeberhard. In rund zwei Jahren seien sie bezugsbereit. Die Vermarktung der Wohnungen übernimmt Aeberhard Immobilien AG aus Münsingen.

Häuser gehörten der Stadt
Laut Aeberhard liegt die Baubewilligung seit November 2009 vor. Die baufälligen Häuser an der Engehaldestrasse und am Stauwehrrain wirbelten schon vor dem Abriss Staub auf. Sie gehörten bis 2006 der städtischen Liegenschaftsverwaltung. Die Bevisa AG erwarb sie mit dem Hinweis, die Häuser mit ihren günstigen Wohnungen sanieren zu wollen. Danach änderte sie jedoch ihre Absichten und kündigte die Wohnungen per April 2008.

Kritik im Stadtrat
Im Stadtrat stellte Karin Gasser vom Grünen Bündnis postwendend Fragen zu diesem Immobiliengeschäft. Sie beklagte den Verlust an günstigem Wohnraum. Zweifel wurden laut, ob Luxuswohnungen an diesem Ort Absatz finden würden. Die Chefin der Liegenschaftsverwaltung Barbara Hayoz (FDP) betonte, dass die deklarierte Absicht der Bevisa AG nicht bindend sei und das Verkaufsargument der Preis war. Sie wies auf den Rutschhang hin, der aufwändig gesichert werden müsse, was kostenintensiv sei. Zudem seien die Häuser verlottert.
Geologische Abklärungen relativierten mittlerweile das Rutschrisiko. Der Hang wurde laut Aeberhard in der Gefahrenkarte zurückgestuft.

Zwischenzeitlich besetzt
Support erhielt Hayoz im Parlament von bürgerlicher Seite. Günstiger Wohnraum dürfe nicht zu Slums verkommen. Zudem entspreche der Verkauf der Teilstrategie Wohnen der Stadt. Bevor die neuen Eigentümer nun zur Tat schreiten konnten, mussten sie sich mit Wohnungsbesetzern herumschlagen. Aeberhard betont jedoch: "Die Geschichte hat ein gütliches Ende gefunden. Im Dezember 2009 zogen die Besetzer aus."


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