Neue Pläne für die Schützenmatte

Bernhard Ott, Der Bund, 30.07.2009

Der Druck des Stadtrats zeigt Wirkung: Der Gemeinderat will bereits ab 2012 eine Gesamtplanung des Gebiets Schützenmatte/Bollwerk anpacken. Der Raum soll nicht ein «Unort» bleiben.

Der Raum Bollwerk ist kein Ort, wo man sich gerne aufhält. «Gewalt prägt das Ambiente», kam eine vom Gemeinderat in Auftrag gegeben Studie jüngst zum Schluss. Der Verkehr, die Reitschule, der Vorplatz und der Drogendeal stellten die Öffentlichkeit des Raumes infrage. Ohne planerische Interventionen werde die Verwahrlosung zunehmen. Um dies zu verhindern, brauche es «grosse, gebündelte und klare Entscheidungen», forderten die Autoren. Die Politik hingegen sei seit Jahren «symptomfixiert, wenn nicht gar hilflos». Für langfristige Lösungen dürften Parkplätze ebenso wenig ein Tabu sein wie die öffentliche Sicherheit», heisst es im Bericht.

Gemeinderat spielte auf Zeit
Der Gemeinderat ist bis anhin vor Entscheidungen zurückgeschreckt, die jemandem wehtun könnten. Obwohl der Stadtrat im Juni 2007 einen Vorstoss des Grünen Bündnisses (GB) zur Umgestaltung der Schützenmatte in einen «angenehmeren, für alle zugänglichen Platz» als erheblich überwiesen hatte, liess die Antwort der Stadtregierung bis im Frühling 2009 auf sich warten. Dabei kündigte die Regierung lediglich eine Neuanordnung der Parkplätze, die Sanierung von Asphaltfläche und Werkleitungen sowie die Errichtung eines Unterstands für Car-Reisende an. Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) sagte gegenüber dem «Bund», dass die Entwicklung eines Gesamtkonzepts auf Eis gelegt sei, solange unklar bleibe, welches die Auswirkungen des Ausbaus des SBB-Tiefbahnhofs seien. Konkret bedeutete dies, dass auf der Schützenmatte bis frühestens 2030 alles beim Alten bleibt. «Die Stadt kann nichts zementieren, solange der Raumbedarf für Bauinstallationen und Zulieferrouten nicht geklärt ist», sagte Tschäppät.

«Neuste Erkenntnisse»
Der Stadtrat liess jedoch nicht locker. «Der Gemeinderat soll das heisse Eisen endlich an die Hand nehmen», forderte Stéphanie Penher (gb), und doppelte mit einer weiteren Motion nach, worin ein Planungskredit für die Neugestaltung gefordert wurde. Dieselbe Forderung hatte bereits die SP erhoben. Die Mehrheit der Fraktionen unterstützte das Anliegen – und siehe da: «Die langfristige Planung könnte bereits ab 2012 initiiert werden», heisst es nun in der Antwort des Gemeinderats auf die Vorstösse von GB und SP. Grund hierfür seien «neuste Erkenntnisse» aus Gesprächen mit den SBB. Seit Kurzem sei der Stadt nämlich bekannt, dass das Eilgutareal bis weit übers Jahr 2030 hinaus von der Bahn genutzt werde und der Planung nicht zur Verfügung stehe. Daher hange die langfristige Planung nicht mehr von der Verfügbarkeit des Eilgutareals ab. Stadtpräsident Tschäppät macht indes keinen Hehl daraus, dass auch der Druck des Stadtrats dazu beigetragen habe, «dass es nun vorwärtsgeht».

Der Verkehr als Knackpunkt

Für Tschäppät ist indes klar, dass eine Gesamtplanung nicht sofort, sondern erst 2012 in Angriff genommen werden kann. Bis dahin habe das Volk über die Initiative für einen autofreien Bahnhofplatz und für den Verkauf der Reitschule an den Meistbietenden abgestimmt. Zudem sollte der Entscheid über den Ausbau des Park+Ride Neufeld vorliegen. Der Ausbau des Parkhauses wiederum ist eine Voraussetzung für die Aufhebung der heutigen Parkplätze auf der Schützenmatte. «Für eine Neugestaltung ist die Frage des Verkehrs zentral», sagt Tschäppät. Nur wenn sie weitgehend verkehrsfrei sei, könne die Schützenmatte zum Boulevard werden. Der Gemeinderat sei sich bewusst, dass die «Schütz» eines der letzten Stadtentwicklungsgebiete in Zentrumsnähe darstelle. Eine Gesamtplanung sei jedoch keine kurzfristige Sache und könne nicht mit der Sanierung der Infrastruktur verknüpft werden, sagt Tschäppät. Für Letzteres hat der Gemeinderat vor den Sommerferien einen Planungskredit von 100000 Franken genehmigt.

«Planung könnte heute starten»
Für Motionärin Stéphanie Penher ist diese Trennung unverständlich. Die mittel- und die langfristige Planung müssten verknüpft werden. «Die Gesamtplanung könnte man heute starten. Dieser steht nichts im Wege», sagt Penher. Für die Sanierung der Platz-Infrastruktur ist das Tiefbauamt zuständig, für die Gesamtplanung das Stadtplanungsamt. Von einer mangelnden Koordination zwischen den zwei Amtsstellen möchte Penher nicht sprechen. «Das Stadtplanungsamt soll aber Aspekte der langfristigen Planung bereits heute einbringen», sagt Penher.

Aus der erwähnten Studie geht hervor, dass der Perimeter mit der Neuen Mittelschule (der einstigen Mädchenschule), dem Progymnasium und der Universität einst ein Bildungsstandort gewesen ist. Die Hodlerstrasse wiederum war eine Prachtstrasse, die von repräsentativen Bauten wie dem Kunstmuseum, dem Amthaus und dem 1936 abgerissenen Naturhistorischen Museum gesäumt war.

«Schütz» als Hochschulcampus?
Stadtpräsident Tschäppät kann sich vorstellen, an diese Tradition anzuknüpfen. «Die Schützenmatte könnte doch zu einem Campus der Berner Fachhochschule werden. Das wäre doch eine spannende Idee.» Der Gemeinderat habe sich allerdings noch keine Meinung über die künftige Nutzung gebildet. Die Nachbarschaft von Fachhochschule und Reitschule müsse nicht zu Konflikten führen. «Von einer Aufwertung des Platzes profitieren letztlich alle Beteiligten», sagt Tschäppät. Vom Beginn der Gesamtplanung im Jahr 2012 bis zur Umsetzung dürfte es laut Tschäppät rund fünf Jahre dauern.


Creative Commons LicenseDieses Werk ist unter einer
Creative Commons-Lizenz
lizenziert.

Trackback URL:
https://rageo.twoday.net/stories/5851623/modTrackback