Tutorium` New Cultural Geography

Veranstaltung 5, 23. März 2009

An Agenda for Cultural Geography (Jackson, Peter 1995)

Die “New Cultural Geography” soll…
  • …einen interpretativen Ansatz verfolgen: Nach Clifford Geertz (Kulturanthropologe) ist Kultur weder als Struktur noch als Regelsystem (vgl. Tylor) erfassbar, sondern als Netz von Bedeutungen (vgl. symbol. Interaktionismus), die es zu lesen (linguistic turn) und zu interpretieren gilt
  • und menschliches Verhalten ist kulturell insofern, als es symbolisches Handeln ist. Die naturwissenschaftlich orientierten Methoden liefern nur eine Beschreibung des oberflächlichen Verhaltens-Aspekts von „Kulturen“. Sie liefern „dünne Beschreibungen“ (beschreibender Ansatz), nicht „dichte Beschreibungen“(verstehender Ansatz).
  • …einen postmodernen Ansatz verfolgen: “The language of post-modernism has been adopted by social scientists in an attempt to highlight the way that knowledge is constructed and contested rather than being simply received. […]. The lack of self-consciousness about modes of representation that Geertz once noted has been replaced by an almost obsessive degree of self-reflection” (S. 176).
  • …von „Kulturen“ in deren Pluralität und Prozesshaftigkeit und damit von einer Pluralität von „landscapes“ („ways of seeing“) ausgehen.
  • …Themenfelder wie „Uneven Development”, “concept of spatial divisions of labour” und “links between social relations spatial structures” behandeln.
Culture run riot? Work in social and cultural geography (Matless, Dave 1995)
Der Text ist eine Zusammenführung von erschienen sozial- und kulturgeographischen Arbeiten in Grossbritannien im Jahr 1994. Matless stellt sie alle unter den Dachbegriff der „Moral Geography“.
Ihr können u.a. folgende Beziehungen als Gegenstandsbereich zugeordnet werden: „place“-„identity“, „landscape“-„identity“, „work“-„culture“.

Culture Wars: Culture is Polititcs by Another Name (Mitchell, Don 2001)
Mitchell stellt politische Konflikte (aktuelle und vergangene) als „Culture Wars“ dar. In seiner „Geography of Culture“ geht er davon aus, dass das Verständnis von „Kultur“ über eine Analyse dieser „Culture Wars“ im Raum geht. Bei dieser „Methode“ bedient er sich teilweise dem Konzept von Carl Sauer, der wiederum von Herders „Völkercharakter“ und dem „kulturellen Partikularismus“ amerikanischer Kulturanthropologen (Boas, Kroeber, Lowie) beinflusst wurde und als Begründer der amerikanischen Kulturgeographie gilt.

Sauer versteht „Kultur“, im Gegensatz zum Umweltdeterministen Friedrich Ratzel, nicht als etwas naturgegebenes, sondern als unterschiedliche menschliche Manifestationen in einer ursprünglich „natürlichen Landschaft“. Diese kulturellen Manifestationen zu beschreiben, bedingt, analog zur archäologischen Methode, die Landschaft Schicht für Schicht in ihre jeweiligen durch unterschiedliche kulturelle Einflüsse entstandenen Einzelteile zu zerlegen. Der Unterschied zwischen Sauer und Mitchell liegt wohl darin, dass Letzterer einen dynamischeren Ansatz von Kultur vertritt, insofern nämlich, dass er nicht zwingend die entstandene „Landschaft“/Raum untersucht (Folge von Kultur), sondern die Prozesse/Konflikte (Kultur an sich), die zu einer bestimmten „Landschaft“ geführt haben.

Thesen
  • Natur und Kultur sind westliche Konstrukte. Insofern ist die vermeintlich nicht ethnozentrische Methode „Kultur“ in „landscape“ zu lesen nicht weniger ethnozentrisch als jene von Ratzel.
  • Eine vielschichte „cultural landscape“ entspricht einer komplexen „Kultur“.
  • Mitchells Idee der „culture wars“ erklärt alle Konflikte.
  • Es macht keinen Sinn zwischen Kulturgeographie und Kulturanthropologie zu unterscheiden.

Protokoll


Referat

Der Referent konzentriert sich auf die Texte von Jackson (1995) und Mitchell (2001) um die Entstehung der heutigen Kulturgeographie aufzuzeigen. Anhand einer Kette von wichtigen Namen (Ratzel, Sauer, Zelinsky.... Mitchell) und den dazugehörenden Theorieansätzen wird die historische Entwicklung der Kulturgeographie anschaulich dargestellt.
Danach stellt der Referent die beiden Autoren und ihre Forschungsschwerpunkte vor und arbeitet ihre jeweiligen Gemeinsamkeiten und Differenzen heraus.
In einer weiteren Grafik wird schliesslich Mitchells Kulturverständnis (materielle Konditionen -> kulturelle Identitäten -> „cultural wars“) visualisiert.

Diskussion

In der anschliessenden Diskussion debattieren wir zunächst die These, ob sich sämtliche Konflikte unter Mitchells „cultural wars“-Konzept subsumieren lassen. Dabei kommen wir zum Schluss, dass die Konfliktursachen nicht notwendigerweise im Kulturellen liegen, dass der Kulturbegriff aber zur Naturalisierung von Konflikten herangezogen wird. Kultur hat damit eher Bedeutung als Legitimationsbegriff.

Danach diskutieren wir den Kulturbegriff selbst. Ausgangspunkt bildet Mitchells Ansatz, dass Kultur nicht als Erklärungsgrösse herangezogen werden kann (Tautologie-Problem), sondern Kultur selbst erklärt werden muss. Wir erörtern ob Kultur das Produkt von Ideologie ist oder Ideologie ihrerseits erst als Produkt der Kultur entstehen kann ebenso wie die ähnlich gelagerte Beziehung von Kultur und Macht. Verschiedene Definitionen von Kultur (z.B. aus der Sozialanthropologie) werden dazu herangezogen und unterschiedliche Gedankenexperimente (Liegt der Ursprung von Kultur im Verhältnis von Adam zu Eva? Genügt nicht schon ein Mensch allein um von Kultur zu sprechen?) getätigt. Trotz ausufernder Diskussion finden wir keinen Konsens über eine zufriedenstellende Auslegung und Verortung des Kulturbegriffs.


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